Alle Menschen sind gleich? Einfache Frage. Oder doch nicht?

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 „Ich bin vollkommen ungerührt davon, dass Kant, dieser tote weiße Mann, sich rassistisch oder misogyn geäußert hat. Was mich mehr bekümmert ist, dass viele Vertreter der politischen Linken jetzt das Kind mit dem Bade ausschütten und Menschen auf Wesen reduzieren, von denen möglicherweise Gebrauch gemacht werden kann, weil sie angeblich bloße Naturwesen sind.“

Omri Boehm, Philosoph


Nicht gleich wieder aussteigen, weil das „Ich“ als Teil dieses gefühlt überlegenen „Wir“ aufbegehrt. Zulassen. Egal ob das „Wir“ gerade als den „TERFs“ zugehörig abgewertet oder als „woke Schneeflocke“ diskreditiert wird. Aushalten. 

„Alle Menschen sind gleich geschaffen“: naturwissenschaftlich unhaltbar

Wenn davon geschrieben wird, dass eine rein biologistische Grundlage für die Bestimmung eines Menschen im Ganzen nicht hinreichend ist - ja sogar an den dunkelsten Epochen der Geschichte anknüpft, dann steht – das muss zugegeben werden – auch das diesem Rückschluss zugrundeliegende Gedankengerüst auf wackeligen Beinen. Denn naturwissenschaftlich lässt sich dem Menschen zwar tatsächlich noch nicht einmal gegenüber einem Fisch ein Mehr an Würde zuschreiben. Wie aber dann? Ideologien? Dogmen?

 „Wir halten folgende Wahrheiten für offenkundig: dass alle Menschen gleichberechtigt geschaffen worden sind mit bestimmten unveräußerlichen Rechten, wie sie das ja aus der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung kennen. Wie lässt sich das begründen? Für einen Philosophen selbstverständlich eine entscheidende Frage.“

Universalismus statt Identitätspolitk vs. Naturwissenschaft

Foto: Johann Gottlieb Becker (1768), gemeinfrei

Lösen lässt sich das Dilemma laut dem israelischen Philosophen Omri Boehm für die unter die Räder der Ränder kommende liberale Mitte mit einem radikalen Universalismus. Er könne, so Boehm in seinem neuesten Buch „Radikaler Universalismus. Jenseits von Identität“ etwas allgemeines verteidigen, etwas allgemein Menschliches was uns alle vereint und nicht trennt. Nur was oder wer soll einen solchen universalen Gültigkeitsnimbus begründen? 

Gott scheidet mittlerweile aus, ist also keine hinreichende Begründung und was bleibt da noch übrig? {...}

Eine Krux ist das.

Metaphysik als Higgs-Teilchen im universellen Geflecht aus Vernunft und Werten?

Erst wenn wir den humanistischen Appell der biblischen Propheten und Immanuel Kants wirklich verstünden, können wir Ungerechtigkeit kompromisslos bekämpfen – im Namen des radikalen Universalismus, nicht in dem der Identität. So jedenfalls schreibt es der Klappentext Boehms Idee zu. Er selbst sagt dazu:

Unter zwei Bedingungen: Erstens, dass wir den Begriff der Vernunft beibehalten. Dass wir also sagen, es muss alles rational nachvollziehbar sein und dass wir nicht auf Religion rekorieren, um das zu begründen. Und auch nicht auf die Naturwissenschaft. {...}  Wir sprechen hier nicht über Tatsachen, sondern über Werte und genau das ist auch der Ansatzpunkt.

Die Zitate stammen aus unserem ultimativen Podcast-Tipp für alle, die sich gerade über Identitäten und Ideologien streiten und jene liberale Mitte, die als zunehmend nicht mehr schweigende Mehrheit genervt ist:

➡️ Direkter Link zur Audiodatei | Link zum Deutschlandfunk Kultur Podcast „Sein und Streit“ mit Omri Boehm

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