Polen: Ein Regenbogen leuchtet durch die Nacht

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Endlich eine positive Nachricht aus Polen: Liberalere Führungskräfte zeigten Regenbogenflagge zum Tag der Toleranz . Queeraktivist*innen baten jedoch um mehr Unterstützung – besonders von einem Politiker hatten sie sich ein größeres Bekenntnis gewünscht.

Ein bunter Regenbogen strahlt durch die Warschauer Nacht – nach diesem Jahr, das noch einmal eine deutliche Verschärfung der Queerfeindlichkeit in Polen zeigte, ein wahrlich willkommener Anblick. Als Geste der Solidarität mit der Queergemeinschaft in Polen wurden am Montag mehrere Gebäude in polnischen Städten bunt angeleuchtet. Dazu zählen unter anderem der Kultur- und Wissenschaftspalast in Warschau, das neue Rathaus in Danzig sowie Gebäude in Krakau, Breslau, Posen und einigen kleineren Gemeinden und Städten.


Der 16. November ist traditionell der Internationale Tag der Toleranz. An diesem Tag vor 25 Jahren unterzeichneten die 185 Mitgliedsstaaten der UNESCO die Erklärung der Prinzipien zur Toleranz. Die UNESCO erinnert seitdem jedes Jahr an diese Regeln, die ein menschenwürdiges Zusammenleben aller Kulturen und Religionen ermöglichen sollen.

Dieses Jahr schlossen sich einige liberale Führungskräfte in Polen dieser Aktion an – um der Queercommunity in Polen zu signalisieren, dass sie nicht alleine steht. Eine tolle Geste – als solche begrüßte auch Helena Dalli, Gleichstellungsbeauftragte der EU, die Aktion auf Twitter:


Kritik an Warschaus Bürgermeister

Foto: Adrian Grycuk / CC BY-SA 3.0 pl / wikimedia.org

Queeraktivist*innen aus Polen erklärten ihre Dankbarkeit für die Unterstützung. Doch sie mahnten auch an: Es reicht nicht. Es reicht lange, lange noch nicht. Besonders in den Fokus rückten sie Rafał Trzaskowski (48): Der Bürgermeister der polnischen Hauptstadt hatte den queeren Menschen seiner Stadt im Vorfeld weit mehr Unterstützung versprochen, betonten sie.

Hubert Sobecki, ein Aktivist der queeren Nichtregierungsorganisation Love Does Not Exclude Associtation kritisierte Trzaskowski gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Der Bürgermeister von Warschau hatte vor zwei Jahren eine LGBT+-Charta unterzeichnet – darin verpflichtete er sich zum Beispiel, an Warschauer Schulen Aufklärung über queere Lebensformen einzuführen. Bis jetzt sei jedoch nichts geschehen, wie Sobecki betonte. Zu der Regenbogenaktion sagte er:

„Dies ist offensichtlich eine symbolische Geste, und wir begrüßen sie, wenn sie von Bürgermeistern kleinerer Städte und Gemeinden kommt. Wir erwarten mehr von jemandem, der […] sich verpflichtet hat, etwas Greifbares für die Gemeinschaft zu tun.“


Corona soll schuld sein

Trzaskowski, der im Sommer noch gegen den polnischen Präsidenten Andrzej Duda angetreten war und verloren hatte, bemühte sich im Wahlkampf, in dieselbe queerfeindliche Kerbe zu hauen, um konservative Wähler zu überzeugen (wir berichteten). Auf Nachfrage von Reuters erklärte eine Sprecherin des Warschauer Rathauses, die Umsetzung der Charta sei ein komplexer Prozess – der durch die COVID-19-Pandemie zusätzlich erschwert wurde.

Foto: facebook.com/profile.php?id=100008152054340

Der Filmemacher und Queeraktivist Bartosz Staszewski, der mit seinem Fotoprojekt zu „LGBT-freien Zonen“ die internationale Aufmerksamkeit verstärkt auf die Problematik lenkte (wir berichteten), erzählte Reuters, die Beleuchtung einer Brücke über die Weichsel in Warschau habe ihn an einen Trans-Aktivisten denken lassen, der nach einem Sprung von der Brücke gestorben sei.

„Ich habe so schrecklich schlechte Assoziationen, wenn jetzt die gleichen Brücken einfach nur mit Regenbogenlicht beleuchtet werden und in Warschau nichts weiter passiert.“

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