Georgien: Tiflis Pride erneut gewaltsam verhindert

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In Georgien musste am Wochenende ein Open-Air-Event im Rahmen der Pride Week abgesagt werden, nachdem Tausende rechtsextreme Demonstranten die Veranstaltung gestürmt, die Bühne zerstört und Regenbogenflaggen verbrannt hatten.

Etwa 5.000 Randalierer*innen, vorwiegend Mitglieder und Sympathisanten der gewalttätigen rechtsextremen Bewegung Alt-Info, stürmten die Veranstaltung am Samstag, zerstörten Ausrüstung, verbrannten Fahnen und Plakate.  

Quelle: https://twitter.com/TbilisiPride/status/1677685990557614087

Viele schwenkten georgische Flaggen und feierten ihre blinde Wut mit Champagner.

Quelle: https://twitter.com/TbilisiPride/status/1677690257737646080

Angriff vom Innenministerium abgesegnet?

Aktivist*innen des Tbilisi Pride demonstrierten am 9. Juli vor dem Parlament in Tiflis und forderten die Bestrafung verantwortlicher Personen, darunter auch Alt-Info-Anführer.

In einer Erklärung beschuldigten die Organisator*innen der Tifliser Pride-Week die Regierung der Komplizenschaft mit den gewalttätigen Gruppen. Der Angriff sei „im Voraus koordiniert und mit dem Innenministerium abgesprochen“ gewesen. Die Polizei habe den Mob nicht aufgehalten, sondern die Teilnehmer*innen der Pride-Veranstaltung „gezwungen“, das Gelände mit vorher bereitgestellten Bussen zu verlassen.  

Quelle: https://twitter.com/TbilisiPride/status/1677982990461202432

Das Innenministerium erklärte dagegen, den rechtsextremen Demonstrierenden sei es gelungen, Polizeiabsperrungen zu umgehen und den Veranstaltungsort zu erreichen. Jedoch wird der Regierung seit langem vorgeworfen, homophobe und nationalistische Gruppen stillschweigend zu unterstützen, allen voran die Partei „Konservative Bewegung“ des privaten georgischen Fernsehunternehmens und Online-Informationsportals Alt-Info.

Alt-Info gilt als ultranationalistisch und rechtsextrem, mehrmals hat die ‚Bewegung‘ zudem ihre Bereitschaft zu „partnerschaftlichen Beziehungen mit Russland“ erklärt. Zurab Makharadze, der Vorsitzende der Konservativen Bewegung, ist Moderator des Medienmagazins Alt-Info, weitere Alt-Info-Mitglieder, Koka Morgoshia und Irakli Martinenko, gehören ebenfalls zu den Anführern der Bewegung.

Gewalt gegen die LGBTIQ*-Community und den Tbilisi Pride befürwortet und unterstützt Alt-Info ausdrücklich. 2021 nahmen die Eigentümer des Medienunternehmens sogar selbst an der Gegenkundgebung zum Tbilisi Pride teil, bei dem es zu gewaltsamen Angriffen auf LGBTIQ*-Aktivist*innen und Journalist*innen gekommen war. 50 Journalist*innen wurden verletzt, am Ende musste der Pride-Marsch abgesagt werden (männer* berichtete).

2019 kam es in Tiflis bei der Premiere des für den Oscar nominierten Films „ALS WIR TANZTEN“ über zwei schwule Tänzer trotz Polizeischutz zu Ausschreitungen und gewalttätigen Gegenprotesten (männer* berichtete). Damals versuchten Hunderte rechtsextreme Aktivist*innen, das Kino zu stürmen und verbrannten Regenbogenflaggen. Auch hier hatte Alt-Info seine Hand im Spiel.

Im Jahr 2013 störten Tausende ultrakonservativer Anhänger*innen der orthodoxen Kirche eine Kundgebung in Tiflis anlässlich des Internationalen Tages gegen Homophobie. Teilnehmer*innen der Kundgebung wurden von 35.000 bis 40.000 Gegendemonstrierenden mit Stöcken, Steinen und Schlagstöcken angegriffen, homophob und trans*phob beschimpft und mit dem Leben bedroht. Nach Ermittlungen des Innenministeriums wurden in einem Strafverfahren vier Demonstranten freigesprochen und vier weitere mit Geldstrafen belegt.

Für dieses Vorgehen wurde Georgien 2021 sogar vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verurteilt (männer* berichtete). Der EMGR kam zu dem Schluss, dass der Staat es verabsäumt habe, operative Präventivmaßnahmen zu ergreifen, um die Kläger*innen vor Gewalt zu schützen.

Kritik von Staatspräsidentin und von der EU

Die georgische Staatspräsidentin Salome Surabischwili, eine Unabhängige, die der regierenden Partei „Georgischer Traum“ kritisch gegenübersteht, sagte, die Regierung müsse dafür sorgen, dass das Pride-Festival in Sicherheit stattfinden könne. Radikale Gruppen würden ermutigt, Veranstaltungen zu stören, wenn die Polizei „so handeln würde, wie sie es heute getan hat“, so Surabischwili.

„Rede- und Versammlungsfreiheit sind Grundrechte, deren Verletzung nicht hinnehmbar ist.“

Kritik kam auch von der Europäischen Union. Die Delegation der EU in Tiflis schrieb auf Twitter, es sei enttäuschend zu sehen, dass die Sicherheit und die Versammlungsfreiheit nicht gewährleistet werden konnten. Diejenigen, die zur Gewalt aufrufen und Gewalt ausüben, müssen vor Gericht gestellt werden.

Georgien hatte 2022 einen Antrag auf Beitritt zur Europäischen Union gestellt, doch Brüssel versagte dem Land im Gegensatz zur Ukraine und der Republik Moldau vorerst den Status eines Bewerberlands. Erst wenn weitere Reformen umgesetzt sind, soll Georgien als EU-Aufnahmekandidat anerkannt werden. *AFP/sah

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