„Wenn jemand an Wahlen in Russland glaubt, heißt das nur, dass ihm noch nicht alles genommen wurde“

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Dass Wladimir Putin bei den Russlandwahlen am Sonntag mit knapp 77 Prozent der Stimmen erneut zum Präsidenten gewählt wurde, war zu erwarten. Aber der Sieg wird hinterfragt. Pavel Stotsko, schwules Opfer von homophober Behördenwillkür in Russland, nutzt Putins Triumph für eine eindrückliche Mahnung.

Foto: facebook.com/stotsko

Pavel Stotsko hatte im Januar seinen Freund Eugene in Dänemark geheiratet. Danach war die Ehe versehentlich von russischen Behörden anerkannt worden. Die Folge: Pavel und Eugene wurden die Pässe abgenommen, sie erhielten Morddrohungen und sahen sich gezwungen unterzutauchen (blu berichtete). Bis heute ist der Aufenthalt des Paares nicht bekannt. Nur selten postet Pavel bei Facebook Updates zu seiner Situation. So ließ er sich einen Kommentar zur Russlandwahl nicht nehmen. Sein Post vom Sonntag ist eine eindrückliche Mahnung an die russische Gesellschaft: „Warum ich nicht wähle? Die kriminellen Machthaber haben mir meinen Pass weggenommen. Ich bin ein Bürger, aber ich habe kein Recht zu wählen. Unsinn!? Nein. Ich bin kaum anders als ihr, liebe Freunde. Wenn irgendjemand an Wahlen in Russland glaubt, bedeutet das nur, dass er noch etwas besitzt, was ihm die Machthaber nehmen können: Dokumente, eine Wohnung, Freiheit oder die Zukunft ...“

Pavels Kommentar ist ein Manifest der Hoffnungslosigkeit aller Entrechteten. Auch wenn Putins Wahlsieg niemanden in Russland und der Welt überraschte, so steht er doch für eine erneute Stärkung einer politischen Kaste, die sich um (queere) Menschenrechte und internationale Diplomatie nicht kümmert. Dafür sind das Verschweigen von Wahlbetrug und die Verschärfung des Anti-Europa-Kurses bezeichnend, die Putin bei den frenetischen Feiern seines Siegs am Sonntagabend in Moskau durchblicken ließ. Putins „Gegner“ in der Wahl waren der Kommunist Pawel Grudinin, der nur knapp 12 Prozent der Stimmen erhielt, und die Liberale Xenia Sobtschak, die lediglich zwei Prozent einfuhr. Putin-Kritiker Alexej Nawalny war nicht zu den Wahlen zugelassen worden. Sein Aufruf zum Wahlboykott scheiterte aber wohl an der massiven antieuropäischen Stimmungmache, die Putin nach den Vorwürfen der Ermordung des russischen Agenten Sergej Skripal in Großbritannien für sich nutzte. Mit 67 Prozent stieg die Wahlbeteiligung zumindest leicht gegenüber den Wahlen von 2012.  

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