Sie wollte den HIV-Test revolutionieren: Jetzt droht Elizabeth Holmes der Knast

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Die Geschichte von Elizabeth Holmes ist die Geschichte eines schwindelerregenden Aufstiegs – und eines dramatischen und tiefen Falls. Jahrelang wurde die Jungunternehmerin als Silicon–Valley–Pionierin gefeiert, mit ihrer vermeintlich revolutionären Bluttest–Technologie wurde sie zur jüngsten Selfmade–Milliardärin der USA. Doch dann platzte die Blase:

Recherchen deckten auf, dass ihre Testgeräte schlichtweg nicht funktionieren. Jetzt ist die 37–Jährige in einem Betrugsprozess schuldig gesprochen worden. Ihr droht eine jahrelange Haftstrafe. Holmes war gerade einmal 19 Jahre alt, als sie 2003 ihr Startup–Unternehmen Theranos gründete. Das Versprechen: Mit ein paar Tropfen Blut von der Fingerspitze und ihrer Technologie ließen sich dutzende Krankheiten bis hin zu Krebs und HIV diagnostizieren, viel schneller und billiger als in herkömmlichen Laboren. Holmes hatte als Kind furchtbare Angst vor den Spritzen zum Blutabnehmen – und kam so auf ihre Idee. Für ihr Startup schmiss sie ihr Studium an der kalifornischen Elite–Universität Stanford.

Milliarden an Risikokapital und Vergleiche mit Steve Jobbs

Die charismatische Firmengründerin wurde bald als Visionärin gefeiert und mit Apple–Gründer Steve Jobs verglichen – nicht nur wegen der schlichten schwarzen Rollkragenpullover, die sie ähnlich wie einst Jobs gerne trug. Schnell gewann Holmes prominente Unterstützer: Der frühere US–Außenminister Henry Kissinger und der spätere Verteidigungsminister James Mattis zogen in den Verwaltungsrat ein, Medienmogul Rupert Murdoch investierte Millionen. Theranos wurde zwischenzeitlich mit zehn Milliarden Dollar (nach heutigem Kurs rund 8,8 Milliarden Euro) bewertet, das Magazin „Forbes” schätzte Holmes' Vermögen 2014 auf 3,6 Milliarden Dollar. Es war dann ausgerechnet das zu Murdochs Medienimperium gehörende „Wall Street Journal”, das die wundersamen Testgeräte 2015 als nutzlos entblößte.

Foto: Joshua Lott / AFP

War es Betrug oder verrannte sich Holmes?

Der nach mehreren Verzögerungen im September gestartete Betrugsprozess gegen Holmes im kalifornischen San José drehte sich dann um eine zentrale Frage: Führte die Jungunternehmerin Investoren, Ärzte und Patienten gezielt hinters Licht, wohlwissend, dass ihre Technologie zum Scheitern verurteilt war? Oder glaubte sie ganz einfach trotz Rückschlägen unerschütterlich an den Erfolg ihrer Idee? Für die Staatsanwaltschaft war der Fall klar.

„Holmes hat sich für Betrug und gegen die Firmenpleite entscheiden, sie hat entschieden, unehrlich zu sein. {...} Diese Entscheidung war nicht nur kaltschnäuzig, sie war kriminell”,

sagte Staatsanwalt Jeff Schenk in seinem Schlussplädoyer.

Holmes dagegen räumte zwar Fehler ein, beteuerte aber, das Unternehmen sei auf einem guten Weg gewesen, seine Ziele zu erreichen.

„Frau Holmes glaubte daran, dass sie eine sehr schlüssige Technologie erfunden hatte, und sie glaubte, dass andere außerhalb des Unternehmens diese Sicht teilten”,

sagte Holmes' Anwalt Kevin Downey.

Toxische Männlichkeit und riskante Risikokapitalkultur

Die Angeklagte machte außerdem ihren Ex–Freund und früheren Geschäftspartner Ramesh „Sunny” Balwani für den Skandal verantwortlich. Er habe die Labors geleitet. Sie bezichtigte ihren fast 20 Jahre älteren Ex–Partner auch, sie während ihrer Beziehung sexuell missbraucht und immer wieder erniedrigt zu haben. Balwani, der die Vorwürfe zurückweist, soll in einem getrennten Verfahren der Prozess gemacht werden. Für viele Beobachter geht der Fall Theranos weit über die Person Holmes hinaus.

Foto: Nick Otto / AFP

Sie sehen ihn vielmehr als Sinnbild für eine im Silicon Valley verbreitete Startup–Kultur nach dem Motto:

„Fake it till you make it!”

Tue einfach so, als würde eine Idee funktionieren, und bahne dir so den Weg zum Erfolg. Holmes trieb das in den Augen vieler beim Einsatz von Medizingeräten allerdings zu weit. Die Geschworenen in San José sahen das jetzt auch so. Zwar sprachen sie Holmes nicht in allen elf Anklagepunkten schuldig, sondern nur in vier. Dennoch muss sich die einstige Vorzeigeunternehmerin darauf einstellen, die nächsten Jahre womöglich hinter Gittern zu verbringen. Die Verkündung ihres Strafmaßes steht noch aus. *AFP/fs/dja

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