Slowakei: Liebe ≠ Liebe

männer* mit einem Blick auf ein in queerpolitischen Fragen zutiefst gespaltenes Land.

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Der Wille des Volkes

Das slowakische Parlament, der Nationalrat, hat beschlossen, dass Liebe rechtlich gesehen weiterhin ausschließlich einem Mann und einer Frau vorbehalten bleibt. Am 19. Oktober stimmte es gegen einen Vorschlag, der gleichgeschlechtlichen Paaren das Recht auf die sogenannte eingetragene Lebenspartnerschaft eingeräumt hätte.

Foto: Mosbatho, CC BY 4.0, commons.wikimedia.org


Wäre der Vorschlag der liberalen Partei Sloboda a Solidarita (Freiheit und Solidarität, SaS) angenommen worden, hätten homosexuelle Paare ihre Partnerschaft beim Notar anmelden können. Diese eingetragene Lebenspartnerschaft hätte ihnen Erbrechte, Entscheidungsbefugnisse bei medizinischen Behandlungen und Entschädigungen bei Tod oder Verletzung am Arbeitsplatz gewährt – ein Mindestmaß an Gleichstellung. 

76 Ja-Stimmen wären der Zeitung Štandard zufolge notwendig gewesen, um die eingetragene Lebenspartnerschaft in der Slowakei Wirklichkeit werden zu lassen. Doch nur 50 Abgeordnete des Nationalrats haben sich für den Entwurf ausgesprochen. 37 Abgeordnete stimmten dagegen, 15 reichten eine Blanko-Stimme ein und 31 enthielten sich.

Die Abgeordneten spiegeln damit die Stimmung in der Bevölkerung wider: Umfrageergebnisse aus dem Eurobarometer 2019 belegen, dass etwa 59 Prozent der slowakischen Bevölkerung der LGBTIQ*-Community im Land nicht die gleichen Rechte wie allen anderen Menschen gewähren würde. Zum Vergleich: In Schweden sind es nur etwa zwei Prozent.

Kritik vom Staatsoberhaupt

Foto: Robert Nemeti / Anadolu Agency / AFP

Präsidentin Zuzana Čaputová drückte nach der Abstimmung ihre Enttäuschung in den sozialen Medien aus. Leere Gesten und Erklärungen ohne Ende würden nicht ausreichen, um ein Gefühl von Sicherheit und Akzeptanz in der Community zu erzeugen. „Wir müssen handeln“, erklärte sie. 

„Unsere Gesellschaft wird weder durch die Liebe zweier gleichgeschlechtlicher Menschen noch durch deren Partnerschaft bedroht.“

Foto: Artur Widak / NurPhoto / AFP

Vor dem Hintergrund des Attentats auf eine schwule Bar nur Tage zuvor (männer* berichtete) sei es besonders tragisch, dass nicht genügend Abgeordnete für den Vorschlag gestimmt haben, schrieb Čaputová. Denn Hassattacken seien „ein Angriff auf uns alle, auf die Grundwerte dieser Gesellschaft, und in diesem Sinne gehen sie uns alle an“.

„Unsere Gesellschaft zahlt den Preis für Gleichgültigkeit und Gefühllosigkeit, wenn selbst eine so schreckliche Tragödie nicht genügend Abgeordnete dazu bewegt, den notwendigen und richtigen Schritt zu tun.“

Foto: Screenshot / facebook.com/zcaputova

Doch nicht alle sind von der Ablehnung des Entwurfs enttäuscht. 

Jubel bei den Konservativen

Der Abgeordnete Richard Vašečka von der Kresťanská únia (Christliche Union) erklärte gegenüber Štandard, seine Partei habe vor den letzten Wahlen versprochen, die Ehe als Vereinigung zwischen Mann und Frau zu schützen. Vašečka betonte, jeden Menschen zu respektieren, er sei aber überzeugt, dass „jedes Kind einen Vater und eine Mutter verdient und die Familie der beste Raum für die Kindererziehung“ sei.

Das nun gescheiterte Gesetzesvorhaben bezeichnete Vašečka als den Anfang einer „Lawine“, die damit ende, dass homosexuellen Paaren die Adoption von Kindern erlaubt werde und in weiterer Folge alle Menschen, die der ‚LGBTIQ*-Agenda‘ nicht zustimmen, bestraft werden würden.

Befürworter wollen weiter kämpfen

Eine der Initiatorinnen des Gesetzes, die Abgeordnete Vladimíra Marcinková (SaS), brachte auf Facebook zum Ausdruck, auch in Zukunft für die Rechte von queeren Menschen zu kämpfen. Sie kündigte weitere Bemühungen und Pläne an, die laufende Agenda sowohl auf ziviler wie auch auch auf politischer Ebene fortzusetzen: „Natürlich haben wir auch nach diesem Scheitern einen Plan B, wie wir vorankommen können“, schrieb Marcinková. Dennoch habe sie in den letzten Tagen eine Lektion gelernt.

„Es sind schlechte Nachrichten für uns. In der Politik lautet die Gleichung: Wenn gute Menschen nicht für gute Dinge zusammenkommen können, passieren keine guten Dinge.“

Es heißt, Viliam Karas (SaS), seit 13. September Justizminister unter der Regierung Eduard Heger, arbeite derzeit an einem Vorschlag, der allen im selben Haushalt lebenden Personen Eigentumsrechte einräumen würde. 

Hoffnung auf die EU-Institutionen?

Indes hat das Europäische Parlament einen Entschließungsantrag eingereicht, in dem es die slowakische Regierung auffordert, auf der Grundlage der Charta den in der Slowakei lebenden LGBTIQ*-Personen die gleichen Rechte einschließlich der rechtlichen Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare zu gewähren ... wieder einmal. Denn schon Ende 2020 hatte die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) des Europarates einen Bericht mit 15 Empfehlungen veröffentlicht, um LGBTIQ*-Personen besser vor Diskriminierung, Hassverbrechen und Hassreden zu schützen und ihr Recht auf Gleichberechtigung wirksam zu machen. Allen voran die Empfehlung der Entwicklung und Umsetzung eines nationalen Aktionsplans zur Verbesserung der Situation von Queers, der schon im Jahr zuvor – nach Veröffentlichung des letzten ECRI-Berichts über das Land im Jahr 2015 – diskutiert, aber nicht angenommen wurde (männer* berichtete).

Foto: EU Kommission

Hoffnungsfroh stimmt in diesem Zusammenhang eine weitere Klausel im Entschließungsantrag, in der die Europäische Kommission aufgefordert wird, den Geltungsbereich des jährlichen Berichts über die Rechtsstaatlichkeit zu erweitern, um die Grundrechte, einschließlich der Rechte von LGBTIQ*, systematisch abzudecken. Wird sich der im Hinblick auf queere Belange oft so zahnlos erscheinenden Tiger EU-Kommission am Ende doch noch bemühen, grundlegende Menschenrechte im gesamten Gebiet der Europäischen Union durchzusetzen? Hat er mit dem sogenannten Rechtsstaatsmechanismus wirklich ein scharfes Schwert gegen offensichtliche EU-Vertragsbrüche? 

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