Spanien: 20-Jähriger erfindet homophoben Angriff

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Nur zwei Monate nach der brutalen Tötung des schwulen Pflegehelfer Samuel Luiz in der spanischen Stadt La Coruña erschütterte diese Woche die Nachricht über ein angeblich homophobes Hassverbrechen das Land. Ein 20-Jähriger hatte behauptet, am Sonntag in Madrid überfallen worden zu sein. Inzwischen räumte das vermeintliche Opfer des homophoben Angriffs ein, den Vorfall erfunden zu haben. Der spanische Innenminister warnte im Anschluss davor, Hassverbrechen aufgrund der Falschmeldung zu bagatellisieren: Die Zahl habe in der ersten Hälfte des Jahres signifikant zugenommen, so Fernando Grande-Marlaska.

Der 20-Jährige habe am Mittwoch „seine ursprüngliche Aussage korrigiert und gesagt, die angeblich zugefügten Verletzungen seien einvernehmlich entstanden“, hieß es aus dem spanischen Innenministerium. Der junge Mann hatte gegenüber der Polizei angegeben, er sei am Sonntag in Madrid von acht maskierten Angreifern am helllichten Tag attackiert worden. Er behauptete, die Angreifer hätten ihm mit einem Messer in die Unterlippe geschnitten und eine homophobe Beleidigung ins Gesäß geritzt. 

Die vermeintliche Attacke hatte in der Öffentlichkeit für Empörung gesorgt. Vor zwei Monaten erst war ein junger Homosexueller in La Coruña im Nordwesten Spaniens zu Tode geprügelt worden. Der 24-jährige Hilfspfleger Samuel Luiz aus Brasilien war vor einem Nachtclub angegriffen worden (wir berichteten). Er erlag später seinen schweren Verletzungen. Seine Angehörigen gehen davon aus, dass die Täter aus Homophobie handelten. In Madrid gingen in der Folge tausende Menschen auf die Straße, um gegen Homophobie zu protestieren.


Innenminister: „Hassverbrechen haben objektiv zugenommen“

Foto: Burak Akbulut / AFP

Innenminister Fernando Grande-Marlaska hatte in den vergangenen Tagen vor einem Anstieg von Hassverbrechen gegen Minderheiten gewarnt und die große nationale Aufmerksamkeit durch die vermeintliche Tat in Madrid genutzt, um bessere Gesetze gegen Hassverbrechen zu fordern. Er warnte auch vor einer Häufung von Gruppierungen, die sich Opfer suchen würden, die aufgrund einer persönlichen oder sozialen Bedingung anders wären – dazu zähle er Merkmale wie Rasse, Ethnie, Ideologie, Religion, sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität, wie er am Mittwoch dem Radiosender Cadena Ser sagte.

Nachdem bekannt wurde, dass der genannte Vorfall eine Falschmeldung war, forderte die spanische Volkspartei den Politiker auf, zurückzutreten. Er habe Fakten verheimlicht. Grande-Marlaska betonte jedoch, er sei ebenfalls erst am Mittwochnachmittag von der Polizei über den Fall aufgeklärt worden. Die Ermittlungen seien sehr komplex und es wäre sehr gefährlich gewesen, ihnen vorzugreifen. In der Sendung Más Vale Tarde von La Sexta warnte er davor, falsche Rückschlüsse aus der erfundenen Tat zu ziehen. Es gäbe in der Öffentlichkeit und in den sozialen Netzwerken Verhaltensweisen, die Hassverbrechen begünstigen. Das dürfe nicht verharmlost werden. Hassverbrechen in der spanischen Gesellschaft seien in kurzer Zeit signifikant angestiegen, so der Innenminister.

„Dieser Fall wurde durch die effektive Arbeit der Polizei aufgeklärt, aber wir dürfen Hassverbrechen, die in der ersten Hälfte des Jahres 2021 um 9 Prozent zugenommen haben, nicht herunterspielen. Wenn wir diese Straftaten bagatellisieren, werden viele Menschen sie nicht anzeigen, und ich mahne zur Vorsicht.“

Er appelliert an die Verantwortung der Gesellschaft und der Politiker:

„Ich bitte darum, dass es keine unverantwortlichen Stimmen über das aktuelle Ausmaß von Hassverbrechen gibt. Die Zahl der Taten, die als Hassverbrechen eingestuft werden können, hat objektiv zugenommen.“

*AFP/lm

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