Spanien: Queers kämpfen für besseren Schutz vor Hassverbrechen

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Hunderte Spanier demonstrierten am Wochenende in Madrid gegen die alarmierende Zunahme von homo- und transfeindlichen Übergriffen. Sie forderten bessere Maßnahmen gegen Hassverbrechen. Die Community lebt spätestens seit der brutalen Tat, der der 24-jährige Samuel Luiz im Juli zum Opfer fiel, in Angst. 

Auslöser für die erneute Demonstration in Madrid waren die im Verlauf dieses Jahres signifikant angestiegenen Vorfälle an Hassverbrechen. Nachdem Anfang des Monats ein 20-Jähriger fälschlicherweise behauptet hatte, Opfer eines solchen Verbrechens geworden zu sein (wir berichteten), hatte Innenminister Fernando Grande-Marlaska davor gewarnt, die drohende Gefahr zu ignorieren. Er betonte, die Zahl der Taten, die als Hassverbrechen eingestuft werden können, habe objektiv zugenommen.

„[...] wir dürfen Hassverbrechen, die in der ersten Hälfte des Jahres 2021 um 9 Prozent zugenommen haben, nicht herunterspielen. Wenn wir diese Straftaten bagatellisieren, werden viele Menschen sie nicht anzeigen, und ich mahne zur Vorsicht.“

Auch Aktivist*innen hatten im Laufe der Woche betont, dass die Lüge des vermeintlichen Opfers, die in Spanien große Anteilnahme ausgelöst hatte, nichts an der alarmierenden Tatsache ändere, dass immer mehr Queers Opfer von Hassverbrechen würden – inklusive einer hohen Dunkelziffer von Personen, die die Übergriffe aus Angst vor Konsequenzen nicht anzeigten. 

Foto: Juan Carlos Lucas / AFP


In Gedanken stets präsent: Samuel 

Sie kamen am Samstag, 11. September auf der Puerto del Sol zusammen, dem berühmtesten zentralen Platz Madrids. Sie kamen, um Regenbogenflaggen zu schwenken, ihre Liebe zu zeigen und besseren Schutz für die Community zu fordern. Und sie kamen, weil sie mahnen und an die Opfer von vergangenen Verbrechen erinnern wollten. Allen voran an den 24-jährigen Pflegehelfer Samuel Luiz, der im Juli einem schockierenden Gewaltverbrechen zum Opfer fiel. Nach der Tat hatte es in ganz Spanien Massenproteste gegeben (wir berichteten). Eines wurde am Samstag besonders deutlich: Sein Tod beschäftigt viele der Versammelten noch immer. Wenngleich das Motiv der Tat noch nicht abschließend geklärt ist, gehen dessen Familie und viele der spanischen Demonstranten davon aus: Samuel fiel einem schwulenfeindlichen Hassverbrechen zum Opfer. So skandierten sie auch am Samstag laut spanischen Medien unter anderem:

„Samuel wurde getötet, weil er schwul war!“

Foto: Juan Carlos Lucas / AFP

Die Demonstrierenden forderten grundlegende Schutzmaßnahmen. Auf Transparenten und Plakaten standen Aufschriften wie: „Wir werden ermordet", "Faschismus tötet" und „Berührst du einen von uns, berührst du uns alle“. Ein Protestler sagte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters:

„Wir sind hier, um uns vor der andauernden Aggression und den ständigen homophoben Angriffen zu schützen, die Wochenende für Wochenende stattfinden.“


Alarmierende Zahlen

Laut einer Umfrage der EU aus dem Jahre 2020, in der beleuchtet wurde, wie es der LGBTIQ*-Community in jedem der 27 Mitgliedsstaaten geht, vermeidet es fast die Hälfte der Queers in Spanien, auf der Straße mit ihrem gleichgeschlechtlichen Partner Händchen zu halten. Ein Drittel der Befragten gab an, bestimmte Orte aus Angst vor Übergriffen zu meiden. 42 Prozent erklärten, sie seien im Jahr vor der Umfrage in mindestens einem Lebensbereich diskriminiert worden. Und einer von 10 Queers ging zur Polizei, um einen körperlichen oder sexuellen Übergriff anzuzeigen. 

Die Zahlen, die in etwa dem EU-weiten Durchschnitt entsprachen, wurden von der EU in dem Bericht Ein langer Weg bis zur LGBTI-Gleichstellung ausgewertet und erläutert.

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