Spaniens Liberale vs. radikale Feministinnen: Kommt das „Ley Trans“?

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Spanien möchte trans* Personen die amtliche Anpassung ihres Geschlechts erheblich erleichtern: Für Personen ab 16 Jahren soll künftig eine Erklärung genügen, um das Geschlecht zu wechseln. Medizinische oder psychologische Gutachten sollen genauso der Vergangenheit angehören wie verpflichtende Hormonbehandlungen. 

Grafik: AHC300, CC BY-SA 4.0, wikimedia.org

Der vom Ministerium für Gleichstellung am 3. Februar vorgestellte Gesetzesentwurf für das „Ley Trans“ verfolgt den Ansatz, die Realität nicht-binärer Menschen zu berücksichtigen, und beinhaltet verschiedene rechtliche und medizinische Bestimmungen, die sich auf Transgender beziehen. Bis Mitte Februar will die spanische Gleichstellungsministerin Irene Montero von der linken Partei Unidad Podemos dem Kabinett eine erste Fassung des „Gesetzes für die tatsächliche und effektive Gleichstellung von Transgender-Personen“ vorlegen.

Dass der Entwurf des Ministeriums auch angenommen wird, ist noch nicht sicher: Stellungnahmen anderer betroffener Ministerien, etwa die vom sozialdemokratischen Koalitionspartner geführten Ministerien für Justiz und Gesundheit, stehen noch aus. Einige Minister sind mit dem Vorschlag, amtliche Änderungen des Geschlechtseintrags so stark zu vereinfachen, nicht einverstanden, berichten spanische Medien. 

„Es ist ein Entwurf des Ministeriums für Gleichberechtigung, nicht der Regierung“,

wird eine Quelle aus dem Umfeld der Sozialdemokraten zitiert.

Was ändert sich mit dem „Ley Trans“?

Der wichtigste Punkt des Gesetzesentwurfs ist die „Depathologisierung von Transsexualität“, das heißt, Transsexualität soll gemäß den Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Krankheit eingestuft werden. Die WHO hatte 2018 entschieden, dass Transsexualität aus dem Katalog psychischer Störungen gestrichen wird.

Aktuell sieht das Gesetz in Spanien vor, dass ein Arzt eine geschlechtsspezifische Dysphorie diagnostizieren muss und trans* Personen sich mindestens zwei Jahre einer Hormonbehandlung unterziehen müssen, ehe ihr Geschlechtseintrag in amtlichen Dokumenten geändert werden kann. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte diese Praxis in der Vergangenheit bereits kritisiert.

In diesem Sinne ist das geplante Gesetz ein großer Schritt in Richtung Selbstbestimmung des Geschlechts: Transgender ab 16 Jahren dürfen ihr Geschlecht im Register ändern, ohne ein psychologisches Gutachten vorlegen oder sich Hormonbehandlungen bzw. einer Operation unterziehen zu müssen. Außerdem will der Entwurf alle medizinischen Fragen auf dem Weg zur Transition klären, etwa die Unterstützung bei Hormonbehandlungen und geschlechtsangleichenden Operationen. Darüber hinaus sieht der Entwurf vor, Unternehmen zu belohnen , die trans* Personen einstellen.

Mehr Rechte für intergeschlechtliche Kinder

Auch inter* Kinder sollen mehr Rechte bekommen. Mit dem neuen Transgender-Gesetz erhalten Eltern von intergeschlechtlichen Kindern ein Jahr Zeit, bevor sie sich für einen amtlichen Geschlechtseintrag entscheiden müssen. Außerdem sollen geschlechtsangleichende Operationen an intersexuellen Kindern verboten werden. Ein Sprecher des Ministeriums für Gleichstellung dazu:

„Diese Operationen werden zu oft gemacht, bevor sich das Geschlecht bei intersexuellen Kindern zeigen konnte. Wenn sie größer werden stellt sich heraus, dass das keine Operationen, sondern Amputationen waren.“

Sportverbände kritisieren „Ley Trans“ ...

Spanische LGBTIQ*-Organisationen und Verbände für trans* Menschen begrüßen den Gesetzesentwurf. In einer gemeinsamen Erklärung haben sie betont, der Entwurf sei eine „solide Basis“, der „die Rechtssicherheit garantiert, auf der eine starke Gesetzgebung für gleiche Rechte aufgebaut werden kann“. An anderer Stelle hat er dagegen für heftige Kontroversen gesorgt.

Kritik kommt zum einen von Sportverbänden, weil Trans* Personen „gemäß ihrem registrierten Geschlecht“ an Wettbewerben teilnehmen können – ohne „Geschlechtsverifikationstests“. Dem Gesetzesentwurf zufolge soll das persönliche Bekenntnis zu einer männlichen oder weiblichen Geschlechtsidentität genügen. Umstritten ist auch, dass bereits Minderjährige ihr Geschlecht ändern dürfen. Während Jugendliche zwischen 12 und 16 Jahren die Zustimmung der Eltern oder Erziehungsberechtigten brauchen, sollen Personen ab 16 Jahren selbstständig entscheiden dürfen.

Kritiker*innen argumentieren, dass Adoleszenz und Pubertät schwierige Zeiten bei der Identitätsbildung einer Person sein können und fordern deshalb mindestens ein psychologisches Gutachten, das die Entscheidung stützt.

... TERFs hetzen gegen trans* Frauen

Foto: Flavia Jacquier / Pexels / CC0

Die lauteste Kritik kommt aus dem radikal-feministischen Lager. Einige Gruppen sind der Ansicht, das Gesetz würde einen Rückschlag in der Gleichstellungspolitik darstellen und könne so den Frauen schaden. TERFs (Trans-Exclusionary Radical Feminism) befürchten, durch die Gleichsetzung der Rechte von trans* Frauen mit den Rechten von Frauen würden die Errungenschaften des feministischen Kampfes ausgelöscht werden.

Sie befürchten, dass sich jede Person als „trans“ ausgeben kann. Die Folge wäre, dass Männer ihre Geschlechtsidentität ändern, um damit Männergefängnissen zu entgehen und ihre Haft in Frauengefängnissen abzusitzen, oder dass Männer aus bestimmten Hilfen, die für Frauen gedacht sind, Profit schlagen könnten. In den sozialen Netzwerken überschlagen sich die Postings. Unter dem Vorwand, sich um trans* Personen zu sorgen, ist davon die Rede, das Gesetz würde sich für Transgender nur nachteilig auswirken.

Aus anderen Postings tritt die Transmisogyie deutlich hervor. Mit dem „Ley Trans“ würde jenes Geschlecht geschützt, das geschlechtsspezifische Gewalt produziert, nämlich Männer. Auch würde Sexismus und Ungleichheit die Türen geöffnet und das Gesetz würde Kindesmissbrauch ermöglichen.

Ebenso kritisch äußerte sich die stellvertretende Ministerpräsidentin Carmen Calvo von den Sozialdemokraten, die bis Anfang 2020 Ministerin für Gleichstellung war. In einem Radiointerview mit Cadena SER sagte Calvo, sie sei 

„besorgt über die Idee, zu denken, dass das Geschlecht durch bloßen Willen oder Wunsch gewählt werden kann, was die Identitätskriterien der restlichen Spanier gefährdet. Das wird Garantien und Sicherheitskriterien haben müssen“.

Wegen dieser „unglücklichen Worte“ forderte Spaniens wichtigste LGBTIQ*-Organisation, die Federación Estatal de Lesbianas, Gais, Trans y Bisexuales (FELGTB), Carmen Calvos Rücktritt. Die Vorsitzende der FELGTB, Uge Sangil, sagte:

„Die Geschlechtsidentität wird nicht einfach gewählt, sie ist keine Laune, sie ist kein Wille und auch kein Wunsch. Trans* Menschen sind trans.“

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