Sudan: Keine Todesstrafe mehr für schwulen Sex

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Nach mehr als 30 Jahren islamistischer Herrschaft unter Umar Hasan Ahmad al-Baschir1 hat der Sudan umfangreiche Reformen angekündigt, darunter die Abschaffung von Auspeitschung und Hinrichtung als Strafe für schwulen Sex.

Am 9. Juli 2020 verabschiedete der „Souveräne Rat“ des Sudan – eine Art Übergangsregierung aus Militär und Zivilisten – eine Reihe von Gesetzesänderungen, die das Justizsystem im Sudan reformieren sollen. Die Änderungen betreffen auch Artikel 148 des Strafgesetzbuches von 1991 (Sodomiegesetz).

Neben Iran, Saudi-Arabien, Jemen, Nigeria und Somalia gehörte der Sudan lange Zeit zu den sechs Ländern auf der Welt, in denen für homosexuelles Verhalten die Todesstrafe verhängt wird. Nach dem alten Sodomiegesetz des Sudan sahen sich schwule Männer beim ersten Vergehen 100 Peitschenhieben ausgesetzt, beim zweiten Vergehen drohte ihnen fünf Jahre Haft, beim dritten Mal die Todesstrafe. Das neue Gesetz sieht weiterhin Strafen für homosexuelles Verhalten vor, lediglich das Strafmaß wurde reduziert – auf Haftstrafen zwischen fünf Jahren und lebenslänglich.

„Großartiger erster Schritt“ auf dem Weg zum gesellschaftlichen Wandel

Artikel 148 wurde zwar nicht zur Gänze abgeschafft wurde, dennoch sieht Sudans queere Bewegung die Entscheidung als vielversprechendes Zeichen mit enormer Bedeutung. „Diese Änderungen reichen immer noch nicht aus, sie sind aber ein großartiger erster Schritt der Übergangsregierung, die versucht, Änderungen umzusetzen“, sagte Noor Sultan, Gründer und Geschäftsführer von Bedayaa, einer in Ägypten und im Sudan tätigen LGBTIQ*-Menschenrechtsorganisation.

Sultan sagte, die Regierung sei im Umgang mit der Änderung des Sodomiegesetzes äußerst diskret gewesen. Im Änderungsdokument sei zum Beispiel nicht detailliert dargelegt worden, worum es in Artikel 148 gehe. Das habe gesellschaftliche Gründe, erklärte Sultan:

„Ich denke, die Gesellschaft zögert immer noch, solche Änderungen zu akzeptieren, aber ich hoffe, dass die Regierung ihren Weg zur Reform fortsetzen wird.“

Weitere historische Reformen des Justizsystems

Foto: David Peterson / CC0

Die Änderung des Artikels 148 ist nur eine von mehreren Reformen, die Justizminister Nasr El-Din Abdel-Bari angekündigt hatte. Entkriminalisiert wurde die Apostasie, also der Abfall vom islamischen Glauben, sowie der Alkoholkonsum von Nichtmuslimen. Öffentliche Auspeitschungen finden nicht mehr statt und Kinder sowie Personen über 70 Jahren dürfen nicht mehr hingerichtet werden.

Vor allem aber für Frauen bedeuten die Gesetzesänderungen einen großen Fortschritt. Alle Artikel, die die Menschenwürde von Frauen untergraben, sollen abgeschafft werden. Der Sudan erlaubt Frauen künftig, mit ihren Kindern ohne die Erlaubnis eines männlichen Verwandten zu reisen. Von historischer Bedeutung ist das Verbot der weiblichen Genitalverstümmelungen (FGM), von denen Untersuchungen zufolge bis zu 90 Prozent der sudanesischen Mädchen und Frauen betroffen sind.


Umar Hasan Ahmad al-Baschir kam 1989 nach einem unblutigen Militärputsch an die Macht. Als autoritäres Staatsoberhaupt eines repressiven islamisch-fundamentalistischen Regimes regierte er den Sudan über 30 Jahre, bevor er nach Protesten der Bevölkerung, die 2018 unter dem Slogan „Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit“ begonnen hatten, am 11. April 2019 durch das Militär gestürzt wurde.

Foto: gemeinfrei / CC0

Im Februar dieses Jahres gab die sudanesische Übergangsregierung bekannt, al-Baschir an den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag auszuliefern. Der IStGH hatte bereits 2008 gegen al-Baschir einen Haftbefehl wegen Völkermordes, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im Darfur-Konflikt erlassen.

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