Sudan: Keine Hoffnung mehr für Queers?

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Nach mehr als 30 Jahren islamistischer Herrschaft unter Umar Hasan Ahmad al-Baschir und etwa zwei Jahren der demokratischen Umbildung sieht sich der Sudan erneut mit autoritären Machthabern konfrontiert. Für queere Menschen sinkt damit die Hoffnung auf Verbesserung ihrer Lage. 

Seit dem Sturz des Diktators Umar Hasan Ahmad al-Baschir – al-Baschir regierte seit 1989 als autoritäres Staatsoberhaupt eines repressiven islamisch-fundamentalistischen Regimes, bevor er nach Protesten der Bevölkerung im April 2019 durch das Militär gestürzt wurde – befand sich der Sudan in einer Übergangsphase von einem autoritärem zu einem demokratischen System, die auch für Queers Hoffnung auf Verbesserungen bereithielt (wir berichteten).

Am 9. Juli 2020 verabschiedete der „Souveräne Rat“ des Sudan – eine Art Übergangsregierung aus Militär und Zivilisten – eine Reihe von Gesetzesänderungen zum Schutz der Grundrechte, anderem Artikel 148 des Strafgesetzbuches von 1991 (Sodomiegesetz), der die Abschaffung von Auspeitschung und Hinrichtung als Strafe für einvernehmlichen gleichgeschlechtlichen Sexbetraf. LGBTIQ*-Aktivist*innen äußerten sich zuversichtlich, der politische Wandel könne auch Räume für die Anerkennung und Interessenvertretung von queeren Menschen schaffen. Einem Bericht aus dem Jahr 2020 zufolge bestand tatsächlich eine reelle Chance auf die vollständige Entkriminalisierung von Homosexualität. 

Ein Militärputsch ...

Nach einem gescheiterten Putschversuch im September 2021, der Bashir-treuen Kräften zugeschrieben wird, forderten Militärführer Reformen der Coalition Forces of Freedom and Change (FFC) und die Ablösung des Souveränen Rats. Am 25. Oktober 2021 übernahm das Militär nach einem Militärputsch die Regierung. General Abdel Fattah al-Burhan, Vorsitzender des Souveränen Rats und neuer Militärmachthaber, verhängte den Ausnahmezustand und verkündete die Auflösung der zivilen Regierung.

Foto: Sudanese Presidency / Handout / ANADOLU AGENCY / Anadolu Agency via AFP

Die Afrikanische Union, die Vereinten Nationen und mehrere westliche Regierungen verurteilten den Putsch und forderten eine Wiedereinsetzung der zivilen Regierung, doch das Militär begann, seine Macht zu konsolidieren. Wie deutsche Medien unter Berufung auf die sudanesische Nachrichtenagentur Suna berichteten, ernannte sich al-Burhan am 11. November per Dekret zum Vorsitzenden eines neuen Souveränen Rats. Mohamed Hamdan Dagalo, Kommandeur der kontroversen paramilitärischen Spezialeinheit Rapid Support Forces, wurde zu seinem Stellvertreter ernannt. Sowohl al-Burhan als auch Dagalo sollen in der Vergangenheit an schweren Menschenrechtsverletzungen beteiligt gewesen sein, schreibt das Redaktionsnetzwerk Deutschland

Seither kommt es vor allem in der Hauptstadt Karthum, aber auch in anderen Teilen des Landes immer wieder zu Massenprotesten gegen die neuen Militärmachthaber, auf die die Polizei mit scharfer Munition, Folter und Demütigung reagiert. 

Foto: AFP

... mit Folgen?

Auch sudanesische LGBTIQ*-Menschenrechtsorganisationen sind sehr besorgt und fürchten, die Lage für queere Sudanes*innen werde sich mit der Militärherrschaft verschlechtern. „Der exzessive Einsatz von Macht, Formen physischer Gewalt, der Einsatz von scharfen Kugeln, die Unterbrechung der Kommunikation und des Internets, die Verdunkelung der Medien und die systematische Desinformation in lokalen und regionalen Medienplattformen sind ein Muster, das wir bereits unter dem früheren Regime von Omar Al-Bashir beobachtet haben“, schrieben BedayaaMesahat und Shades of Ebony in einer gemeinsamen Erklärung. Die drei LGBTIQ*-Menschenrechtsorganisationen setzen sich für die Rechte von LGBTIQ*s im Niltal (Ägypten und Sudan) ein, machen auf Sicherheitsrisiken und soziale Hindernisse für sexuelle Minderheiten aufmerksam und fördern queeren Aktivismus.

Weiter heißt es in der Erklärung:

„Wir sind uns bewusst, dass der derzeitige politische Konflikt und die militärische Unterdrückung dazu führen, dass unterprivilegierte Personen wie LGBTQI+ und Menschen, die ihr Geschlecht nicht bestätigen, verfolgt und diskriminiert werden und einem höheren Risiko körperlicher und sexueller Gewalt ausgesetzt sind.“

„Wir wissen auch ganz genau, dass die Erlangung von Rechten und Grundfreiheiten für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt unter hegemonialer militärischer Herrschaft und Unterdrückung nicht möglich ist.“

Den Putsch verurteilten die Organisationen aufs Schärfste: „Wir, die unterzeichnenden Gruppen, lehnen den Militärputsch der Truppen von Abdel Fattah Al-Burhan im Sudan entschieden ab und halten ihn für einen eklatanten Rechtsbruch und eine Verletzung der Legitimität der Verfassung.“

„Wir rufen die sudanesischen Bürger aller politischen, religiösen, rassischen, ethnischen und kulturellen Identitäten und Ausrichtungen auf, Seite an Seite zu stehen und diese Demonstrationen gegen den Militärputsch zu unterstützen, damit das sudanesische Volk seine Rechte einfordern und das Ziel seiner glorreichen Revolution erreichen kann.“

Weiters appellieren Bedayaa, Mesahat und Shades of Ebony an die internationale Gemeinschaft, „das sudanesische Volk und den demokratischen Übergang im Sudan weiterhin zu unterstützen“, und „die Medienberichterstattung über die Ereignisse im Sudan zu verstärken“. #SudanCoup #Sudan

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