Tschechien: „Wir wollen leben wie echte Ehemänner"

by

Mit zwei Wochen Verspätung startete am Donnerstag im Prager Unterhaus die politische Debatte über einen Gesetzesentwurf zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare in Tschechien. Aktivisten rühmten den „historischen Tag“, ein junges Paar macht derweil deutlich, warum Eingetragene Lebenspartnerschaften eine halbe Sache sind

Foto: jsmefer.cz / privat

Nachdem eine ursprünglich für den 1. November geplante Diskussion über die Ehe für alle in Tschechien vertagt worden war (blu berichtete), war am 14. November um Punkt 15:46 Uhr endlich der Zeitpunkt gekommen: Die Abgeordneten begannen mit der Debatte über einen Gesetzesentwurf, der die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare vorsieht. Die Regierung steht dem Vorhaben grundsätzlich positiv gegenüber. Trotzdem wird im gleichen Zuge auch ein Gesetzesentwurf der Gegenseite diskutiert, der eine gesetzliche Definition der Ehe als Bund zwischen Mann und Frau anstrebt. 

LGBTIQ*-Aktivist Czeslaw Walek, der die Unterhaus-Debatte als Vorsitzender der Ehe-für-alle-Kampagne Jsme Fér (sinngemäß übersetzt „Wir sind gleich“) von der Zuschauertribüne aus verfolgte, resümierte nach der dreistündigen Sitzung bei Twitter: „Ich bin sehr stolz auf uns. Das Abgeordnetenhaus hat zum ersten Mal die Gleichberechtigung im Eherecht diskutiert. Das haben wir möglich gemacht. Okay, es dauert noch etwas, bis es zur Abstimmung kommt, aber der bloße Fakt, dass wir eine dreistündige ausführliche (und nicht homophobe) Debatte über dieses Thema erlebt haben, ist ein Riesenschritt vorwärts.“

Gleichzeitig arbeitet Jsme Fér weiterhin an der Aufklärung der Bevölkerung. So veröffentlichte das Bündnis die Geschichte von Ondřej und Lukáš. Die beiden gingen vor zwei Jahren eine Eingetragene Lebenspartnerschaft ein, die in Tschechien bisher die einzige Möglichkeit für gleichgeschlechtliche Paare ist, ihre Beziehungen registrieren zu lassen. An der Geschichte des Paars lassen sich viele Ungleichbehandlungen ablesen  von den ständigen Erklärungen, die Ondřej und Lukáš gegenüber Freunden abgeben mussten, ob sie nun „richtig verheiratet“ seien oder nur symbolisch, über den demütigenden Moment, in dem sie zum Standesamt mit Trauzeugen erschienen, die gar nicht gebraucht wurden, bis hin zur lieblosen Abfertigung des Zeremoniells in nur zwei Minuten. Auch die Kosten für eine Namensänderung und den Mangel von Besuchsrechten im Krankenhaus prangern Ondřej und Lukáš an. Ihr Fazit: „Die Eingetragene Lebenspartnerschaft ist nicht mehr als eine Formsache (...) Wir wollen endlich leben wie echte Ehemänner.“

Die weiterführende Debatte über die Ehe für alle in Tschechien wird für Dezember erwartet, ein Abstimmungsergebnis voraussichtlich für Anfang 2019.

Back to topbutton