Ungarn: Nationalfeiertag war Wahlkampftag

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Rund ein halbes Jahr vor der Parlamentswahl in Ungarn hat Ministerpräsident Viktor Orban bei einer Kundgebung in Budapest eine Brandrede gegen die Europäische Union gehalten. Sein Herausforderer Peter Marki-Zay setzte ein Ende der „Hasskampagnen” gegen LGBTIQ* und Einwanderer in den Fokus. 

Foto: Attila Kisbenedek / AFP

„Die EU spricht mit uns und verhält sich uns und den Polen gegenüber so, als wären wir Feinde."

So Orban vor zehntausenden Anhängern am Samstag. Sein Herausforderer Peter Marki-Zay setzte bei einer eigenen Kundgebung auf Anti-Orban-Rhetorik.  

Beide Politiker nutzten den Nationalfeiertag am 23. Oktober für ihren Wahlkampf. Zehntausende Anhänger Orbans waren vor der Kundgebung des Regierungschefs durch Budapest marschiert. „Brüssel täte gut daran zu verstehen, dass selbst die Kommunisten nicht mit uns fertig werden konnten", sagte der nationalkonservative Regierungschef. „Wir sind der David, dem Goliath besser aus dem Weg geht.”  Mehrere Teilnehmer der Kundgebung hielten ein Plakat mit der Aufschrift "Brüssel = Diktatur” in die Höhe. Auch Teilnehmer aus Polen waren angereist. Die Regierungen in Budapest und Warschau stehen seit Jahren wegen rechtsstaatlicher Verfehlungen am Pranger der EU. Gegen beide Länder laufen Verfahren, die bis zum Entzug von Stimmrechten in der EU oder auch zur Nichtauszahlung von EU-Geldern führen könnten.

Vergleich mit Aufstand gegen die Sowjetunion

Foto: Peter Kohalmi / AFP

Der vor kurzem von der ungarischen Opposition nominierte Orban-Herausforderer Marki-Zay rief seinen rund 5000 Anhängern zu, die Menschen hätten genug von den „Hasskampagnen” der Regierung gegen Einwanderer und die LGBTQ-Gemeinschaft. „Die Menschen hatten 1956 die Nase voll und haben auch heute die Nase voll!", rief Marki-Zay mit Blick auf den gescheiterten Aufstand gegen die Sowjetunion 1956, an den am 23. Oktober in Ungarn erinnert wird. Bei der Parlamentswahl im kommenden Jahr wird Orban von Marki-Zay herausgefordert. Der 49-jährige konservative Provinzbürgermeister hatte überraschend die Vorwahl eines breiten Oppositionsbündnisses gewonnen, das versucht, den seit 2010 regierenden Orban abzulösen. 

Rechtspopulist Orban wedelt die rote Socke

Orban ist seit 2010 in Ungarn an der Macht. Die Opposition wirft dem rechtspopulistischen Ministerpräsidenten einen autokratischen Führungsstil und Korruption vor. Der Regierungschef warnte seine Anhänger vor der Rückkehr der „Linken” an die Macht – obwohl sein parteiloser Gegner Marki-Zay sich selbst als "traditionellen Konservativen” bezeichnet. „Es gibt nur eine Linke, egal wie sehr sie sich auch verkleidet", sagte Orban mit Blick auf das breite Bündnis verschiedener Oppositionsparteien. In Umfragen liegt das Oppositionsbündnis derzeit Kopf an Kopf mit der regierenden Fidesz-Partei. Der siebenfache Vater und bekennende Katholik Marki-Zay vertritt konservative Positionen und könnte die Wähler für sich gewinnen, die von Orbans Politik enttäuscht wurden. *AFP

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