11 Freunde, 800 Profifußballer*innen und Philipp Lahm ...

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Hunderte namhafte Profi-Fußballer*innen sorgen aktuell für Aufsehen im Sport: Sie wollen homosexuelle Spieler beim Coming-out unterstützen. Ex-DFB-Kapitän Philipp Lahm rät vor diesem Schritt während der aktiven Karriere jedoch ab.

Sechs Jahre ist die große Freude über das erste Coming-out im deutschen Profi-Fußball mittlerweile her. 2014 outete sich Thomas Hitzlsperger als homosexuell – allerdings erst nach seiner Zeit als aktiver Profispieler (das männer*-Dossier zum Thema). Mit seinem öffentlichen Coming-out steht Thomas Hitzlsperger bis heute allein auf weiter Flur, deutschlandweit gibt es keinen einzigen aktiven deutschen Profifußballer, der sich offen zu seiner Homosexualität bekennt.

Philipp Lahm sieht den Grund in der „fehlende[n] Akzeptanz, sowohl im Fußball als auch im Umfeld“. In seinem neuen Buch warnt der ehemalige DFB-Kapitän sogar vor diesem Schritt. Zur selben Zeit garantieren hunderte Fußballer*innen in der aktuellen Ausgabe des Fanzines „11 Freunde“ ihren homosexuellen Kollegen im Falle eines Coming-outs Unterstützung.  

Liebe darf nicht dis­kri­mi­niert werden: „Ihr könnt auf uns zählen“ 

In einem aufsehenerregenden Appell, der in der jüngsten „11 Freunde“-Ausgabe erschienen ist, haben 800 deutsche Fußballerinnen und Fußballer ihren homosexuellen Kollegen Mut und Unterstützung für ein Coming-out zugesprochen.

„Auch im Jahr 2021 gibt es keinen einzigen offen homosexuellen Fußballer in den deutschen Profiligen der Männer“, geben die Verfasser*innen der gemeinsamen Erklärung unter dem #ihrkönntau­funs­zählen zu bedenken:

„Die Angst, nach einem Coming-out angefeindet und ausgegrenzt zu werden und die Karriere als Profifußballer zu gefährden, ist offenbar immer noch so groß, dass schwule Fußballer glauben, ihre Sexualität verstecken zu müssen.“

Niemand solle zu einem Coming-out gedrängt werden, das sei die freie Entscheidung jedes Einzelnen, heißt es weiter. Aber

„wir wollen, dass sich jeder, der sich dafür entscheidet, unserer vollen Unterstützung und Solidarität sicher sein kann. Weil es zu den elementaren Menschenrechten gehört, sich zu seiner sexuellen Orientierung zu bekennen zu können. Und weil nur der seinen Beruf mit Freude ausüben kann, der nicht einen Teil seiner Persönlichkeit vor anderen verstecken muss.

Sodann appellieren die Unterzeichner*innen an alle, die mit der Entscheidung ringen, sich zu outen. Sie sollen wissen:

Wir werden euch unterstützen und ermutigen und, falls notwendig, auch gegen Anfeindungen verteidigen. Denn ihr tut das Richtige, und wir sind auf eurer Seite.“

Zu den Unterzeichner*innen gehören unter anderem prominente Profis wie Max Kruse (1. FC Union Berlin), Niklas Stark (Hertha BSC), Jonas Hector (1. FC Köln), Bakery Jatta (Hamburger SV), Christoph Kramer (Borussia Mönchengladbach), Nationalspielerinnen wie Almuth Schult und Alexandra Popp (VfL Wolfsburg), aber auch ganze Mannschaften wie Hannover 96, Eintracht Braunschweig, 1. FC Köln, SC Paderborn, Vfl Bochum, 1. FC Nürnberg, Hertha BSC und Union Berlin.

Lahm rät vom Coming-out während Karriere ab

Philipp Lahm indes warnte vor einem Coming-out während der aktiven Karriere. Man müsse „enorm stark sein, um das zu verkraften“, so der ehemalige DFB-Kapitän. Außerdem seien die Chancen, „halbwegs unbeschadet davonzukommen“, sehr gering.

Foto: Rufus46 / CC BY-SA 3.0 / wikimedia.org

Im Gespräch mit Dunja Hayali anlässlich der Erscheinung seines neuen Buchs „Das Spiel: Die Welt des Fußballs“ zeigte sich Lahm wenig optimistisch. Selbst wenn der betroffene Profi die nötige Reife für einen solchen Schritt hätte, wird er „nicht mit der gleichen Reife bei allen Gegnern im Sport und ganz sicher nicht in allen Stadien rechnen dürfen, in denen er antritt“, ist Lahm der Meinung. Er befürchtet „gebrüllte Beleidigungen, Beschimpfungen und diffamierende Äußerungen“ und fragt sich (zu Recht?):

„Wer würde das aushalten? Und wenn ja, wie lange würde er es aushalten?“

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