VERGANGENHEITSAUFARBEITUNG

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Die hochgelobte Ausstellung Liberales Hamburg? Homosexuellenverfolgung durch Polizei und Justiz nach 1945 ist den ganzen November über in der Akademie der Polizei Hamburg, Braamkamp 3 B, von Montag bis Freitag jeweils in der Zeit von 8 bis 16 Uhr zu besichtigen.

Die beeindruckende wie wichtige Ausstellung arbeitet die Haltung der Hamburger Polizei und Justiz zu Schwulen und Lesben zwischen Kriegsende und 1982 auf. Weitere Themen sind das Tanzverbot, Morde an schwulen Männern, Disziplinarstrafen an den Universitäten und die Bekämpfung des Transvestiten-Unwesens durch die Polizei. Die Ausstellung wird auch durch die Bundesstiftung Magnus-Hirschfeld unterstützt. Die begleitende Broschüre (Bild) ist bei Lambda Edition erschienen (ISBN 978-3-925495-33-5).

1. 30.11., AKADEMIE DER POLIZEI HAMBURG, BRAAMKAMP 3B, MO FR 8 16 UHR


BEGLEITWORT DER HAMBURGER SENATORIN FÜR JUSTIZ UND GLEICHSTELLUNG ZUR ERSTEN AUSSTELLUNG ZUM CSD HAMBURG 2013

Pünktlich zum Beginn der Pride Week am 27. Juli 2013 eröffnet in Hamburg eine ganz besondere Ausstellung, die bewusst im Kontrast zur sonst so fröhlichen Pride Week stehen soll. Aber gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen in Russland ist das Thema der Ausstellung umso wichtiger. Die strafrechtliche Verfolgung homosexueller Menschen ist ein trauriges und beschämendes Kapitel in der deutschen Strafrechtsgeschichte. In der Bundesrepublik waren bis in das Jahr 1969 einvernehmliche homosexuelle Handlungen zwischen Männern strafbar. Forschungen gehen von über 50.000 homosexuellen Männern aus, die in den Jahren 1949 bis 1969 wegen gleichgeschlechtlicher sexueller Handlungen verurteilt worden sind. Hinzu kommen mehr als 100.000 Menschen, gegen die sich polizeiliche Ermittlungen richteten. Eine Verurteilung oder die Erhebung einer Anklage bedeuteten für die Betroffenen seinerzeit häufig das berufliche und soziale Aus. Auch wenn sich die strafrechtliche Ahndung auf gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen unter Männern beschränkte, waren von der gesellschaftlichen Ausgrenzung homosexuelle Männer und Frauen gleichermaßen betroffen.

Im Jahr 2002 wurden vom Bundestag durch eine Ergänzung des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege pauschal diejenigen Urteile aufgehoben, die unter nationalsozialistischer Herrschaft gegen homosexuelle Menschen ergangen waren. Aber eine Rehabilitierung der nach dem Jahr 1945 auf der Grundlage der identischen Norm verurteilten Personen steht immer noch aus.

Im Jahr 2012 hat der Bundesrat auf Initiative Hamburgs und Berlins einen Antrag beschlossen, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wird, endlich Maßnahmen zur Rehabilitierung und Unterstützung homosexueller Menschen zu ergreifen, die wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen strafrechtlich verurteilt worden sind. Mit dieser Initiative fordern wir die Aufhebung der Urteile nach § 175 und die Aufarbeitung durch eine Erforschung und Dokumentation der strafrechtlichen Verfolgung homosexueller Männer. Passiert ist bis heute nichts. Zumindest wir in Hamburg wollen handeln. Mit der Ausstellung Liberales Hamburg? Homosexuellenverfolgung durch Polizei und Justiz nach 1945 werden die staatlichen Handlungen für alle sichtbar gemacht.

In der Nachkriegszeit zog es viele homosexuelle Menschen nach Hamburg. Gerade deswegen ist es mir als in dieser Stadt zuständige Senatorin für Justiz und Gleichstellung ein besonderes Anliegen, dass wir in Hamburg erstmalig eine Ausstellung präsentieren können, welche die Verfolgung durch Polizei und Justiz nach 1945 in den Fokus einer breiteren Öffentlichkeit rückt. Die Ausstellung enttabuisiert dieses Thema. Sie liefert in begreifbarer und beeindruckender Art und Weise Informationen und Argumente, um den notwendigen öffentlichen Diskurs über die Leidensgeschichte homosexueller Menschen in Deutschland weiter anzuregen und voranzutreiben.

Auch der Ausstellungsort ist mit Bedacht gewählt: die Grundbuchhalle im Ziviljustizgebäude liegt am zentralen Platz der Gerichte und der Rechtsprechung in Hamburg. Auch durch Hamburger Gerichte wurden Urteile nach § 175 gesprochen.

Dass die Ausstellung in Hamburg möglich wurde, verdanken wir der Unterstützung vieler Beteiligter. Ein ganz besonderer Dank aber gebührt den Kuratoren Gottfried Lorenz und Ulf Bollmann. Sie haben die Ausstellung konzipiert und umgesetzt. Ich würde mich freuen, wenn viele von Ihnen bei der Eröffnung der Ausstellung am 22. Juli dabei sind, oder in der Zeit vom 22. Juli bis zum 01. September die Ausstellung besuchen. Es lohnt sich.

Ihre

Jana Schiedek

Die begleitende Broschüre (Bild) ist bei Lambda Edition erschienen (ISBN 978-3-925495-33-5).

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