Historisch: Elliot Page ist erstes Trans*-Mann-Cover des Time Magazine

by

Elliot Pages' Coming-out Ende 2020 machte ihn zu einem der berühmtesten geouteten Trans*-Menschen der Welt. Und es kam zu einem sehr wichtigen Zeitpunkt. Konservative auf der ganzen Welt schüren Ängste vor einem „Transgender-Wahn“, bringen transphobe Gesetze unter dem Deckmantel des Familienschutzes in die Parlamente ein und nehmen der Trans*-Community ihre Rechte. Umso wichtiger, ja fast schon befreiend für die Community, war dann das Coming-out von Elliot Page als trans* Ende des Jahres (wir berichteten). Der talentierte, beliebte, queere Schauspieler stellte sich damit all jenen entgegen, die Hass und Hetze verbreiten – und wurde zum Vorbild und Helden einer ganzen Bewegung, einer ganzen Generation. Seit seinem Coming-out sind drei Monate vergangen. Mit dem Time Magazine sprach er nun über die Zeit danach – und über die Zeit, die noch kommt. Und: Er schrieb Geschichte als erster Trans*-Mann auf dem Cover.

Foto: Wynne Neilly / Time

Corona-Maßnahmen brachten die innere Erkenntnis

„Was ich erwartet habe, war eine Menge Unterstützung und Liebe und eine massive Menge an Hass und Transphobie. Das ist im Wesentlichen das, was passiert ist.“

Page spricht über die Zeit nach seinem Coming-out. Darüber, dass er sich in seinem Körper nun endlich wohlfühlt. Sein Haar ist wieder kurz, oben herum ließ er sich bereits operieren, wie er freimütig preisgibt. Als er sein Coming-out auf Instagram feierte, erholte er sich gerade in Toronto von der OP. Page betont, dass es beim Trans-Sein nicht nur um Operationen geht. Dennoch beschreibt er seine Operation als etwas, das es ihm ermöglicht habe, sich endlich selbst zu erkennen, wenn er in den Spiegel schaut. Sein Leben sei seitdem komplett verändert.

An den Punkt, an dem er nun ist, kam er im Laufe des vergangenen Jahres. Während des Lockdowns hatte er endlich die Zeit und Ruhe, sich ganz mit dem Thema zu befassen, in sich hineinzuhorchen. Heute reflektiert er die Zeit so:

„Ich war endlich in der Lage, mein Transgender-Sein zu akzeptieren. Und mich ganz zu dem werden zu lassen, was ich bin.“


Ein Vorbild, das er selbst nicht hatte

Der Jungschauspieler macht deutlich: Er will ein Vorbild für andere junge Trans*-Menschen sein, ein Vorbild, das er selbst, der in den 1990ern in Halifax, Kanada, aufwuchs, nicht hatte. Er möchte anderen helfen – auch finanziell, indem er seine Privilegien und seinen Wohlstand nutzen kann. Und er möchte für Sichtbarkeit und Aufklärung sorgen.

„Wir wissen, wer wir sind. Die Menschen klammern sich an diese festen Vorstellungen [über das Geschlecht], weil sie sich dadurch sicher fühlen. Aber wenn wir einfach all die wundervolle Komplexität der Menschen feiern könnten, wäre die Welt ein viel besserer Ort.“

Das Time Magazine schreibt, dass viele der politischen Angriffe auf Trans*-Personen den gleichen Subtext haben – und zwar, dass Trans*-Personen sich darin irren, wer sie sind. Page sieht sich auch deshalb gesellschaftlich tief in der Verantwortung, seine persönliche Wahrheit zu teilen. Im Frühjahr 2020 bekam die transphobe Bewegung mit Joanne K. Rowling eine einflussreiche Galionsfigur, auf die sich seitdem all jene berufen, die Hass und Hetze verbreiten (wir berichteten).

Page warnt vor diesem Einfluss, der Lügen und Transphobie salonfähig macht:

„Extrem einflussreiche Leute verbreiten diese Mythen und schädliche Rhetorik - jeden Tag sieht man, wie unsere Existenz diskutiert wird. Transgender-Menschen sind so sehr real.“


Ein dringend nötiger Wandel in Hollywood

Er erzählt auch von seiner Kindheit im falschen Körper, von dem innigen Wunsch eines 9-jährigen, ein Junge zu sein und von der ersten Kurzhaarfrisur, mit der er sich endlich wohl fühlte. Mit zehn Jahren landete er seine erste große Rolle – als Mädchen. Der Schauspielerei wegen musste er sich die Haare wieder lang wachsen lassen. Immer wieder im Laufe seiner Karriere habe er mit dem Gedanken gespielt, die Schauspielerei, seine große Leidenschaft, aufzugeben – wegen der Diskrepanz zwischen dem, wie die Welt ihn sah, und dem, was er von sich selbst wusste. Er habe sich nie wiedererkannt, konnte lange Zeit kein Foto von sich selbst ansehen, keinen Film, in dem er eine weibliche Rolle spielte.

Page kämpft seit Jahren gegen Stereotypen in Hollywood, gegen Vorurteile, Rollenbilder. Mit seinem Coming-out 2014 als homosexuell und queer befreite er sich zum Teil, sagt er heute. Er begann, Anzüge auf dem roten Teppich zu tragen und machte eine maskuline Garderobe zur Bedingung für die Annahme von Rollen. Doch der tägliche Zwiespalt wurde unerträglich.

„Der Unterschied, wie ich mich fühlte, bevor ich mich als homosexuell geoutet habe, zu dem, was danach kam, war gewaltig. Aber ist das Unbehagen in meinem Körper jemals verschwunden? Nein, nein, nein, nein.“


Wird „The Umbrella Academy“ nun noch queerer?

Derzeit dreht Page in Toronto die dritte Staffel der Netflix-Erfolgsserie The Umbrella Academy. Noch am Tag seines Coming-outs änderte Netflix den Vornamen seines Stars in den Credits der Serie in „Elliot“. Ans Set zurückzukommen, sei manchmal unangenehm gewesen, gibt Page zu – es sei eine Umstellung für alle Beteiligten, ab und an würden noch falsche Pronomen benutzt. Aber seine Kollegen würden ihn trotzdem als den sehen und anerkennen, der er ist.

Showrunner Steve Blackman sagte dem Time Magazine:

„Es scheint, als wäre eine enorme Last von seinen Schultern gefallen, ersetzt durch ein Gefühl der Erleichterung. Da ist eine Leichtigkeit, viel mehr Lächeln.“

Foto: Christos Kalohoridis / Netflix

Übrigens: Nachdem Page's Rolle Vanya in Staffel eins mit einem Mann liiert war, verliebte sie sich in Staffel zwei in eine Frau – die Storyline wurde von Page angeregt. Ob die Transgeschlechtlichkeit des Schauspielers in der Serie thematisiert wird, ist noch nicht bekannt. Gerüchten zufolge soll Gerard Way, Rocksänger und kreativer Kopf hinter den Comics, auf denen The Umbrella Academy basiert, jedoch mehr als offen für die Idee sein.


Was bringt die Zukunft?

Page produzierte in den letzten Jahren auch queere Filme selbst (zum Beispiel My Days of Mercy), spielte nebenbei weiter in großen Blockbustern. Trotzdem war es für ihn auch schwierig, weibliche Hauptrollen zu bekommen, weil er nicht in die enge Form Hollywoods passte. Seit seinem Instagram-Post prasseln die Angebote nur so ein. Angebote für die Arbeit als Regisseur, Produzent, Schauspieler – die meisten davon trans*-bezogen, aber nicht alle. Casting-Direktoren wandten sich an Pages Manager und sagten, es wäre eine Ehre, Page in ihrem nächsten großen Film zu besetzen.

Der 34-jährige Schauspieler macht deutlich, wie sehr er sich auf die Zukunft freut: 

„Ich bin wirklich aufgeregt, zu schauspielern, jetzt, wo ich ganz der bin, der ich bin, in diesem Körper. Unabhängig von den Herausforderungen und schwierigen Momenten, die das mit sich bringt, gibt es nichts Schöneres, als sich so zu fühlen, wie ich mich jetzt fühle.“

Back to topbutton