Zuwachs im Regenbogenland: Die bedeutsamsten Coming-outs 2020

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2020 wird heute enden – und es wird wohl in die Geschichte eingehen als ein Unglücksjahr, das keiner wollte und erst recht niemand behalten möchte. Doch statt immer nur auf die negativen Aspekte zu schauen, konzentrieren wir uns heute auf die positiven. Und was ist positiver als ein Mensch, der sich selbst endlich liebt, akzeptiert und öffentlich bekennt: Ich bin queer – und das ist auch gut so.

Viele Menschen haben dieses Jahr den Schritt gewagt, im Privaten, fern der Medien. Ihr Verdienst und Mut soll nicht unbeachtet bleiben. Stellvertretend für sie feiern wir bei männer* das Jahr über die Menschen, die in der Öffentlichkeit ihre Scheu ablegen und endlich zu sich selbst stehen. Immer wieder hören wir dann Kommentare wie „Warum schreibt ihr darüber? Es ist doch egal, wen XY liebt“. Ja, natürlich – und nein, leider ist es das eben noch nicht.

Foto: Shutterstock / Arina P. Habich

Jedes Coming-out bedeutet für die Community mehr Sichtbarkeit und damit einen kleinen Schritt hin zu mehr Akzeptanz und zu einer Normalität, in der ein Coming-out nicht mehr nötig ist. Für den Betroffenen selbst bedeutet das Coming-out jedoch noch viel mehr: Freiheit. Und für diejenigen, die es selbst noch nicht gewagt haben, ist das Coming-out eines anderen, oft befeuert durch öffentliche Aufmerksamkeit, manchmal der letzte nötige Schubser.

Diesen Domino-Effekt konnte man dieses Jahr besonders bei männlichen Profisportlern beobachten. Daher fangen wir mit dieser Kategorie an.


Muckies & Mut

Während es im weiblichen Profisport viele offen lesbische oder bisexuelle Vorbilder gibt, ist dies im männlichen Profisport nicht so. Homo- und Bisexualität blieben lange ein ungesagtes Tabu, ein Geheimnis. Das änderte sich in diesem Jahr.

Nach und nach traten berühmte Vertreter ihrer Sportart ins Licht der Öffentlichkeit und erzählten, wer sie wirklich sind. Die Reaktionen waren teilweise so positiv und überwältigend, dass sie jedem, der nun noch folgt, einen Teil seiner Scheu genommen haben müssen.

Im Februar bekannte der kanadische Profi-Schwimmer Markus Thormeyer: Ich bin schwul! Im März outeten sich der Schweizer Spitzenschwinger Curdin Orlik und kurz darauf der irische Leichtathlet Denis Finnegan – beide während ihrer aktiven Karriere. Im Sommer kam Basketball an die Reihe: Der chilenische Profi Daniel Arcos stand endlich zu seiner Homosexualität.

Aber die Regenbogenflagge hat ja noch weitere Farben: Der US-amerikanische Geräteturner Danell Leyva outete sich im Oktober als bi-/pansexuell. Im September hatte sich bereits der britische Rugby.Spieler Levi Davis während seiner aktiven Karriere als bisexuell geoutet.

Im Dezember schließlich meldete sich Wintersportler Hig Roberts zu Wort. Der US-amerikanische Champion im Alpinskifahren outete sich im Alter von 29 Jahren als schwul – nach seiner Karriere. Er erklärte, es sei ihm wichtig, junge Sportler*innen davor zu bewahren, dass sie ohne queeres Vorbild in ihrer Sportart genau so unglücklich werden wie er es war – bevor er seine Karriere schließlich zugunsten seiner Freiheit beendete.

In der Fußballwelt ist bezüglich Homo- und Bisexualität noch viel zu tun. Das zeigte die homophobe Beleidigung während eines Spieles in den USA. Allerdings: Die gesamte Mannschaft des offen schwulen Spielers Collin Martin verließ danach gemeinsam den Platz und verschenkte aus Solidarität den sicheren Sieg.

Im Anschluss outete sich der langjährige FIFA-Schiedsrichter Tom Harald Hagen als schwul. Auch die Kapitänin der österreichischen Fußballnationalmannschaft, Viktoria Schnaderbeck, machte den Fußball dieses Jahr bunter: Sie stand öffentlich zu ihrer Liebe.


Ein gutes Jahr für Trans*-Sichtbarkeit 

In dem Jahr, in dem sich mit Joanne K. Rowling eine der bekanntesten Schriftstellerinnen unserer Zeit als transphob outete, ist Trans*-Sichtbarkeit vielleicht wichtiger als je zuvor. Umso bedeutsamer sind Erfolge wie der von Sarah McBride: Sie wurde bei der Wahl Anfang November die erste offen transgeschlechtliche Senatorin der USA.

Bereits im Januar 2020 hatte die bekannte Beauty-YouTuberin Nikkie de Jager ihr Coming-out als trans*. Für Sichtbarkeit der nicht-binären Community sorgte dieses Jahr unter anderem die aus der Serie Grey's Anatomy bekannte Schauspielerin Sara Ramirez.

Anfang Dezember später outete sich dann einer der angesagtesten Jungschauspieler in Hollywood als trans* und nicht-binär. Elliot Page, der derzeit in der Netflix-Serie The Umbrella Academy in der Rolle der Vanya Hargreeves brilliert, erhielt im Anschluss an sein Coming-out viel Liebe und Respekt. 

In der Onlinezeitung Huffpost erschien am 25. Dezember ein Essay von Gastautorin Maryann Durmer. In dem Artikel Ein Liebesbrief an meine Enkelin (die ich bis vor fünf Wochen als meinen Enkel kannte) dankt die glückliche Oma dem Hollywood-Schauspieler für seinen Mut, sich zu outen. Dies habe ihrer Enkelin sehr geholfen, dasselbe zu tun, so Durmer.


Besser spät als nie

Die dritte Kategorie ist für all diejenigen, die sich erst spät in ihrer Karriere oder ihrem Leben ein Herz fassten – oder erkannten, dass vielleicht nicht alles so ist, wie sie immer dachten. Dazu gehört Karl Heinz Brunner: Der lange Zeit heterosexuell verheiratete, 67-jährige SPD-Politiker erklärte dieses Jahr, dass er seit anderthalb Jahren mit einem Mann zusammenlebt. 

Foto: Ludewig

Witold Sadowy outete sich derweil im Alter von stolzen 100 Jahren – und das ist nicht einmal das bemerkenswerteste an dieser Geschichte. Sadowy ist nämlich eine polnische Fernsehlegende. Und die queere Community in Polen hat Vorbilder und Sichtbarkeit in diesem Jahr ganz eindeutig bitter nötig gehabt. 

Auch in Großbritannien outete sich eine Fernsehlegende: Stanley Baxter ist bereits 94 Jahre alt, als er dieses Jahr endlich offen über sein Leben als schwuler Mann spricht. 


Kulturelle Entwicklung

Auch Darin Zanyar (33), einer der größten Popstars Schwedens, ist schwul. Das machte er im August öffentlich. Besonders große Beachtung fand sein mutiger Schritt aufgrund seiner kurdischen Wurzeln. Er erklärte, er wolle für junge Kurd*innen ein dringend benötigtes, offen queeres Vorbild sein. 

Auch Jamaika gilt als heißes Pflaster für Queers. Der jamaikanische Sänger Dalton Harris, der in Großbritannien als Gewinner der 15. Staffel von „The X-Factor UK“ bekannt wurde, stand dieses Jahr auf Twitter zu seiner Pansexualität. Im Anschluss wurde der Begriff in Jamaika rekordverdächtig oft via Google gesucht – Harris erklärte, er sei froh, einen Teil zur Aufklärung von Menschen beitragen zu können. 


männer* sagt allen Frischgeouteten: Glückwunsch! Gerne mehr davon in 2021 – Schritt für Schritt und Outing für Outing Richtung Normalität. 

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