Ein Jahr Corona: Wie geht es uns?

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LGBTIQ*-Verbände publizieren ausführliche Bericht zu queerem Leben In Deutschland. Fokus liegt auf der Corona-Pandemie. Bestehende Probleme verschärfen dramatisch. 

Die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (BMH), der Bundesverband Trans* (BVT), der Verein Intersexuelle Menschen (IM e. V.) und der Lesben- und Schwulenverband Deustchland (LSVD) veröffentlichten diese Woche ihre Broschüre Auswirkungen der Coronapandemie auf lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, intergeschlechtliche, queere und asexuelle Personen in Deutschland. In dem 41 Seiten starken Heft befragten sie über 300 queere Organisationen und Expert*innen. Ziel ist es LGBTIQ*-Rechte stärker in den Fokus der kommenden Bundestagswahl zu rücken. Hier ein paar Ausschnitte:

Finanzielle Ängste

Finanzielle Probleme von Beratungsstellen und kulturellen Orten verstärkten sich unter anderem durch die notwendig gewordene technische Aufrüstung. Initiativen befürchten zudem, dass ihre Arbeit vom Staat für unnötig erklärt und unter kommenden Haushaltskürzungen besonders leiden wird:

„ Angestellte verzichten zu Jahresbeginn in manchen Fällen sogar auf einen Teil ihres Gehalts, damit keine Kolleg*innen entlassen werden müssen.“

Tammo Wende von RosaLinde Leipzig

Veranstaltungen und Hilfsangebote werden seltener

Fast 40 Prozent der im Heft befragten Initiativen gaben an, dass sie den Großteil ihrer Veranstaltungen absagen mussten. Der Rest wurden ins Digitale verlagert. Obwohl viele queere Menschen unter dem Verlust von Präsenzveranstaltungen leiden, freuen sich viele alte, chronisch kranke und behinderte Menschen über Online-Formate, die ihre Teilnahme erstmals ermöglichen. 


Katastrophaler Zugang zur Gesundheitsversorgung

Queere Menschen leiden besonders oft unter mentalen Krankheiten. Die Dauerpräsens von Diskriminierungserfahrungen verbindet sich nun mit den Auswirkungen der Corona-Krise: Isolation, Existenzangst, Sorge um sich und andere. Der Bedarf an diskriminierungssensiblen Psychotherapeut*innen ist dementsprechend noch gestiegen. 

„ In einer Erhebung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung 2017 berichteten lesbische, schwule und bisexuelle Menschen doppelt so häufig wie heterosexuelle Menschen, dass bei ihnen schon einmal eine depressive Erkrankung diagnostiziert wurde.“

Noah Rieser von TransInterQueer e. V. und das Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf berichten getrennt voneinander, dass das ständige Gängeln (männer* Dossier „Minoritätenstress"), welches inter- und trans*geschlechtliche Personen von medizinischen Personal erleben, zur Vermeidung von Corona-Tests führt. Dazu kommt, dass die Dauer von Anträgen auf Namensänderung etc. bei trans* Personen sich verlängert und Operationen abgesagt werden. Tragisch, da auch ohne Pandemie eine rechtliche und medizinische Transition Jahre dauern kann. 

Soziale Isolation

Queere Geflüchtete sind in der Pandemie unterschiedlichsten Gefahren ausgesetzt: Einer Corona-Infektion durch überfüllte Sammelunterkünfte, schlechtere Chancen auf Asyl durch den Wegfall von rechtlicher Beratung und Isolation wegen der Streichung von Community-Treffen. Wegen dem schlechten Internet in ihren Unterkünfte, können sie nicht auf digitale Angebote zurückgreifen. Diese schwierigen Umstände führen Lilith Raza vom Queer Refugees Deutschland und Ibrahim Willeke von der Landeskoordination der Anti-Gewalt-Arbeit für Lesben, Schwule & Trans* in NRW zu folgender Einschätzung: 

„Seit Beginn der Pandemie haben [die beiden] einen deutlichen Anstieg von Suizidalität, Gewalterfahrungen, Depressionen und Angst unter geflüchteten LSBTIQA+ beobachtet. “

Foto: Eberhard Grossgasteiger, Unsplash, CC0

Verordnete Familienidylle

Im Zuge des Infektionsschutzes wird laut Rebekka Blum, Francis Seeck und Ilka Quindeau die Familie wieder traditioneller: Der Kontakt zu Herkunftsfamilien und monogamen Partner*innen werden weniger streng beschränkt. Fatal für queere Menschen, da viele LGBTIQ*-Personen sich mit einer selbst gewählten Familie enger verbunden fühlen. Polyamore Menschen werden durch solche Regelungen gezwungen, sich zwischen Partner*innen zu entscheiden. 

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