#Interview • Gendergaga im Kindergarten: vorbildlich!

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Der zur PEDIA-Gruppe gehörende Deutsch-Chinesische-Kindergarten in Hamburg hat mit der PRIDE Kindergruppe ein kleines, aber feines Pilotprojekt gestartet, das zur Nachahmung empfohlen ist. Wir sprachen mit dem Geschäftsführer des Unternehmens, Stefan Hensel.

Foto:: Arne Weychardt

Wie kamt ihr auf die Idee?

Vielen Menschen fehlt der zwischenmenschliche Austausch. Entwicklungspsychologisch gesehen verpassen Kinder eine Menge, wenn sie nicht mit Gleichaltrigen sozialisiert werden. Wir haben viele queere Familien kennengelernt, die niemanden anderen kannten oder vielleicht nur eine andere gleichgesinnte Familie. Dabei ist es sehr wichtig zu sehen, dass es andere Familien mit ähnlichen Problemen gibt:

Ob sie ein Kind adoptiert haben, ein Kind pflegen oder durch eine Leihmutterschaft ein Kind bekommen haben – sie sitzen alle im gleichen Boot, egal ob es sich um ein lesbisches oder schwules Elternpaar oder um andere Konstellationen handelt.

Unsere Grundidee war, diese Eltern und ihre Kinder zusammenzubringen. Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass es selbstverständlich ist allen Eltern und Kindern mit ihren Bedürfnissen gerecht  Wir machen jetzt kein großes Bohei und sagen, dass wir schwulen- und lesbenfreundlich sind. Für uns ist das selbstverständlich.

Ihr seid im Sommer 2020 gestartet, mitten in der Pandemie. Wie läuft das Angebot?

Wir treffen uns nach wie vor und halten das Angebot unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen aufrecht. Bewusst haben wir uns dafür entschieden unser Angebot nicht in eine digitale Form zu überführen, das hätte gar keinen Sinn.

Wir sind davon überzeugt, das gerade für junge Kinder der direkte Kontakt, auch bzw. gerade in der Pandemie, unglaublich wichtig ist.

In ihrem ganzen Alltag in der Pandemie sind die Kinder bereits drastisch eingeschränkt. In der PRIDE Kindergruppe haben wir wenigsten in eingeschränkter Form die Möglichkeit etwas Normalität und Austausch mit anderen Kindern und Familien zu bieten.

Wie groß ist der Andrang?

Normalerweise kommen zwischen vier und sechs Eltern. Die Größe ermöglicht es den Eltern zum einen eine Verbindung untereinander einzugehen. Zum anderen ist die Gruppengröße natürlich wichtig, um unser Hygieneschutzkonzept umzusetzen. Wir bekommen auch immer wieder Beratungsanfragen. Diese leiten wir an pro Familia oder an die Caritas weiter, diese Initiativen können die Familien zielgerichtet und gegebenenfalls längerfristig begleiten.

Welches Echo kommt von außerhalb?

Wir hatten ein bisschen Zuspruch, aber auch die schwul-lesbische Community hat sich relativ zurückgehalten. Irgendwie freut mich das auch, weil das bedeutet, dass schwule und lesbische Eltern bereits die Möglichkeit sehen, ihre Kinder einfach in die Kita um die Ecke zu bringen. Andererseits sind viele Eltern auf uns zugekommen und haben gesagt, dass sie die Idee des Austausches super finden, weil sie ihre Lebensentwürfe in anderen organisierten Angeboten nicht wiederfinden.

Eine spitze Frage: Braucht es eine dezidiert lesbisch-schwule Gruppe in unserer Gesellschaft noch?

Wir sind ein Unternehmen mit ca. 110 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Obwohl sich unsere homosexuellen Kolleginnen und Kollegen bei uns wohlfühlen, erlebe ich es oft, dass viele von ihnen in Bezug auf ihre Sexualität sehr zurückhaltend sind.

Denn im frühkindlichen Bildungsbereich ist eine größere Stigmatisierung homosexueller Sexualität zu erleben als bei anderen Themen.

Wir durchbrechen bekannte Muster, denn bei uns dürfen sich die Kinder beispielsweise aussuchen, von wem sie gewickelt werden möchten und von wem nicht. Kinder spüren schon früh Präferenzen und zeigen, wen sie mögen. Viele Kolleginnen und Kollegen zeigen ihr privates Leben nicht nach außen, weil sie Bedenken haben. Das ist nicht nur bei uns so, sondern findet sich in allen Berufsfeldern, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, wieder.

Mit einer offen gelebten Homosexualität macht man sich immer noch angreifbar, da man schnell mit Missbrauch in Verbindung gebracht wird. Die Unterscheidung zwischen Missbrauch und sexueller Orientierung ist nicht bei allen angekommen.

Hier Bedarf es gesamtgesellschaftlich gesehen weiterhin Aufklärung.

Wie geht ihr an das Thema Rollenbilder ran, was würdet ihr euch wünschen?

Ich glaube, dass es schon einen großen Unterschied machen würde, wenn in jeder Kita ein, zwei Bücher mit von dem klassischen Rollenmodel abweichenden Lebensentwürfen zu finden wären. Konkret heißt das zum Beispiel auch, dass man Kinder, wenn sie etwas aus der Bekleidungskiste nehmen, machen lässt.

Die Betreuung von Kindern hat mittlerweile einen höheren Stellenwert erlangt. Durch gesellschaftspolitische Veränderungen, werden Kinder bereits unter drei Jahren in Krippen betreut. Entsprechend prägend sind Erfahrungen, die Kinder in unseren Bildungseinrichtungen machen. Gerade Diversität ist in bzw. durch Bilderbücher sind super vermittelbar. So kann gezeigt werden, dass Familien auch zwei Väter haben können.

Foto: Jerry Wang, Unsplash, CC0

Bei einem lesbischen Paar fragen wir das Kind: Wo warst du mit Mama und Mama im Urlaub? Wenn Eltern oder Kinder fragen, warum es keinen Papa gibt, erklären wir auf einfache Weise, dass, egal wer das Kind gezeugt hat, diese beiden Personen die Eltern sind, weil sie sich um das Kind kümmern. Bisher hat das immer funktioniert, denn um das zu verstehen, reicht der gesunde Menschenverstand aus.

*Interview: Christian Knuth

Regenbogenfamilienstunde, jeden zweiten Dienstag im Monat, 16 –17 Uhr, Deutsch-Chinesischer-Kindergarten Hamburg, Anmeldung über office@chinesischer-kindergarten.de oder 04018071011, chinesischer-kindergarten.de

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