Nachgefragt: Sanijel will schwulen Migranten Mut machen

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Erst vor einem Jahr wagte er sein Coming-out: Der 29-jährige Serbe Sanijel will Mr Gay Germany werden und Vorurteile in Migranten-Communitys überwinden helfen. Unser Nachgefragt mit dem Wahlhamburger.

Du hast sozusagen zwei Coming-outs hinter dir. Einmal als Schwuler in der serbischen Community, einmal als Schwuler. Was war oder ist für dich schwieriger?

Der Hauptgrund, weshalb ich mich erst in diesem Jahr komplett öffentlich als schwul outete, war die Angst vor der Reaktion der serbischen Community. Papa hat sieben Geschwister in Mazedonien, die wiederum alle selbst mindestens zwei Kinder haben. Es hat in dieser Familie noch nie ein Outing gegeben. Bei jeder Begegnung wurde ich danach gefragt, wann ich eine Frau heiraten würde. Beim Gedanken daran, ihnen als schwul gegenüber zu treten, ließ mich in meinen Gedanken als Schande erscheinen. Als ich mit einem Post auf Facebook alle meine Freunde und Verwandten darum bat für mich bei Mr Gay Germany zu abzustimmen, bekam ich schöne Nachrichten von serbischen Cousinen und Bekannten. Sie sagten, sie seien stolz auf mich. Das bedeutet mir sehr viel.

Das Outing an der Universität fiel mir um einiges einfacher. Dabei ging es jedoch nicht darum, dass ich ein schwuler Serbe bin, sondern um die Hürde als schwul aufzutreten. Als ich vergangenes Jahr an der Uni Hamburg zu studieren anfing, tat ich es einfach. Ich beschloss ab dem ersten Tag der schwule Sani zu sein. Dieses Gefühl war so überwältigend. Ich fühle mich geoutet so befreit. In meiner Clique sprechen meine Hetero-Kommilitonen über ihre Beziehungshöhen und -tiefen und ich über meine. Es wird kein Unterschied gemacht. Das ist meine Idealwelt.

Hast Du Anfeindungen wegen deiner Sexualität oder deines Migrationshintergrundes erlebt

Ich wurde während so ziemlich meiner kompletten Schullaufbahn von den anderen Jungs aufgezogen und beschimpft. Sie merkten, ich war anders. Ich spielte nie Fußball, machte bei Kämpfen nie mit und hing am liebsten mit den Mädels ab. Nahezu jeden Tag wurde das Thema Homosexualität angerissen. Es hieß immer: „Bist du schwul?“ und nachdem ich es Tag für Tag verneinte folgte immer ein „du weißt es bestimmt selbst noch nicht, aber glaub uns, du bist es“. Ich hasste das Wort Schwuchtel und versuchte mich nicht so auffällig zu kleiden und mich in meinen Emotionen zu zügeln, um bloß nicht aufzufallen. Körperliche Gewalt wurde mir aufgrund meiner Sexualität oder meiner Migrationshintergrundes zum Glück noch nie angetan.

Welche Tipps kannst Du Migranten geben, die in einer ähnliche Situation leben?

Ich rate ihnen sich von den vermeintlichen Idealen ihrer Community zu lösen. Am wichtigsten ist, dass sie anfangen einen schwulen Mann als mindestens genauso männlich zu sehen, wie ihren Onkel, ihren Cousin oder Opa mit Frau. Denn das ist es, was viele südländischen Familien tun: Sie stellen den Homosexuellen als minderwertiges Opfer dar, das niemand sein oder kennen möchte. Es ist die Aufgabe eines jeden schwulen Migranten zu zeigen und vorzuleben, dass wir genauso gut eine Ehe führen können und Kinder großziehen können, falls das unserem Lebensideal entspricht. Damit beginnen wir nicht nur unser eigenes Leben qualitativ zu leben, sondern wir verschieben Normen für unsere schwulen Kinder, Neffen und Enkel.

Was bedeutet Heimat für Dich?

Heimat ist für mich dort, wo meine Mutter, meine Schwester und meine beiden Hunde Charlie und Adonis sind. Derzeit ist das Hamburg, aber falls wir gemeinsam beschließen sollten woanders hinzuziehen, würde dieser neue Ort die Voraussetzungen erfüllen meine neue Heimat zu werden.

Wie hast du deine Kampagne für Mr Gay Germany angelegt?

Meine Kampagne heißt „Trigger the avelanche“. Sie ist eine Serie sechsminütiger Videos, die wöchentlich auf YouTube erscheinen werden. In jeder Folge wird eine andere südländische Figur über ihre Erfahrungen mit Homosexualität sprechen. Die Schwester, die Mutter, der Vater ... Mein Ziel ist es, dass die Zuschauer durch die Erfolgsstorys den nötigen Mut und die Anreize finden, ihr eigenes Coming-out in Angriff zu nehmen.

Warum sollte ich bei einem Voting für dich stimmen?

Du solltest für mich stimmen, wenn dein neuer Mr Gay Germany eine Lawine auslösen soll! Ich bin so energiegeladen und vor allem so besessen davon jeden Ungeouteten mit meinem Spirit zu infizieren und mitzureißen! Ich bin der richtige Mann für diese Aufgabe, weil ich 29 Jahre lang den Ängsten unterlag und somit ganz genau nachvollziehen kann, woher die Bauchschmerzen rühren.

Foto: J. Blum

Was machst du sonst?

Ich darf seit einem Jahr das Campusleben leben. Viele Jahre habe ich es mir sehnlichst gewünscht! Zuhause bin ich zweifacher Mopsvater. Mir ist meine körperliche Fitness total wichtig, daher besuche ich das Sportstudio, gehe regelmäßig Schwimmen und für den Geist mache ich Yoga.

Wo sollte ein Hamburgbesucher unbedingt hin?

Der Hamburgbesucher sollte bei seiner Ankunft zunächst auf einen Begrüßungsdrink zu mir an die Bar in die Wunderbar auf der Reeperbahn vorbeischauen. Damit hätte er Hamburgs Wahrzeichen des schwulen Nachtlebens kennengelernt und hätte dann die Möglichkeit sich den funkelnden und schrillen Kiez näher anzuschauen. Im Anschluss darf das Fischbrötchen auf dem Hamburger Fischmarkt nicht fehlen.

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