YouTuber in letzter Instanz wegen Hatespeech verurteilt

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Meinungsfreiheit hat ihre Grenzen, nämlich dann, wenn eine Meinungsäußerung den Tatbestand der Beleidigung erfüllt. In letzter Instanz bestätigte das Bayerische Oberste Landesgericht ein Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth – der YouTuber, der die Grünen-Politikerin Tessa Ganserer beleidigte, muss eine hohe Geldstrafe zahlen.

In dem Fall ging es um einen Mann im fränkischen Hersbruck, der am 29. Mai 2020 auf seinem YouTube-Kanal ein Video postete mit dem Titel „Es ist Wahnsinn. Hier wird eine Volkswirtschaft kaputt gemacht und alle schauen zu“. Im Kern ging es darin um die europäische Wirtschaftspolitik und Corona-Maßnahmen. Gezeigt wurde auch ein Foto, auf dem fünf Personen vor einem Plakat der Partei Bündnis90/Die Grünen abgebildet waren (Grünenpolitikerin Tessa Ganserer, die damals noch Landtagsabgeordnete in Bayern war, und einige Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (DGTI), die der Angeklagte als Landtagsabgeordnete der Grünen vorstellte und sie unter anderem als „absolute Lachnummern“ bezeichnete.

„Ja und wenn ihr euch das anschaut, das sind welche, die sind im Bayerischen Landtag. Das ist jetzt kein Witz und das ist auch kein Scherz. Also wenn ich mir die Figuren anschaue und die bestimmen über unsere Zukunft und solche Leute sind gewählt, also das sind ja Lachnummern, das sind absolute Lachnummern, diese Figuren. Das ist wirklich, das kannste normalerweise, wie heißt es, das kannste auf die Kippenschachtel tun als Warnhinweis.“

Den Anstoß der Anklage wegen Beleidigung bildete folgender eingeblendeter Text:

„Und ich dachte immer, die Schockbilder auf den Kippenschachteln wären schlimm“ (Smiley). „Das sind die Grünen im Bayerischen Landtag … und nein: das ist KEIN Scherz.“ 

Verurteilung wegen Beleidigung

Im April 2021 hatte das Amtsgericht Hersbruck den Angeklagten in erster Instanz zu einer Geldstrafe wegen Beleidigung von von 40 Tagessätzen zu je 80 Euro verurteilt. Nachdem sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gegen das Urteil Berufung eingelegt hatten, erhöhte das Landgericht Nürnberg-Fürth die Strafe schließlich auf 120 Tagessätze zu je 200 Euro, insgesamt also 24.000 Euro, wogegen der Angeklagte erneut Revision eingelegt hatte.

Revisionsgericht bestätigt Verurteilung

Mit Beschluss vom 31. Januar 2022 hat das Bayerische Oberste Landesgericht den Schuldspruch, also die Verurteilung wegen Beleidigung, bestätigt (Az.: 204 StRR 574/21). Ein Verfahren wurde laut Pressemitteilung vom Nürnberger Strafsenat des Obersten Landesgerichts eingestellt, da eine der Zeuginnen keinen Strafantrag gestellt hatte. Deshalb wurde das Verfahren an das Landgericht Nürnberg-Fürth zurückverwiesen, das die Strafe neu festlegen muss, da es um Beleidigung in zwei statt drei Fällen geht.

Auch der Senat sieht durch die Äußerung des Angeklagten in dem Video den Tatbestand der Beleidigung als erfüllt an. Das Recht, seine Meinung zu äußern, sei nicht schrankenlos, so das Gericht in der Begründung. Der Angeklagte habe die „Schranke des Persönlichkeitsrechts der Geschädigten überschritten“.

Zwar sei die Grenze der zulässigen Kritik bei Politiker*innen, die in die Öffentlichkeit träten, weiter zu ziehen als bei Privatpersonen. Auf der anderen Seite liege aber ein wirksamer Schutz der Persönlichkeitsrechte von Politiker*innen ebenso im öffentlichen Interesse. Meint konkret: Politiker*innen müssen sich in der öffentlichen Auseinandersetzung mehr als andere Menschen gefallen lassen, aber eben nicht alles.

Da sich die Äußerung des Angeklagten ausdrücklich nicht auf ein Kollektiv (die Grünen), sondern auf die in der Sequenz abgebildeten und damit identifizierbaren fünf Personen bezog, sei die Grenze zur Verletzung von Persönlichkeit und Ehrschutz überschritten worden. Daran ändere auch der Smiley in der Bildüberschrift nichts. Erschwerend komme hinzu, heißt es in der Begründung, dass die Äußerung nicht nur mündlich getroffen wurde und somit nicht spontan war –  gerade bei Äußerungen in den sozialen Netzwerken sei ein höheres Maß an Bedachtheit und Zurückhaltung zu erwarten, so das Gericht.

In der Gesamtabwägung kam der Senat zu dem Ergebnis, dass die Meinungsfreiheit des Angeklagten hinter dem Persönlichkeitsschutz der Abgebildeten zurücktreten müsse.

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