Tessa Ganserer: Mit Deadname und neuem Namen in den Bundestag?

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Sie war die erste transsexuelle Landtagsabgeordnete in Deutschland – im September könnte die Grünen-Politikerin Tessa Ganserer es in den Bundestag schaffen. Dort könnte es dann mit der ebenfalls für die Grünen kandidierenden Nyke Slawik aus Nordrhein-Westfalen künftig gleich zwei Transsexuelle geben.

Die aus Nürnberg stammende Ganserer sorgt auf dem Wahlzettel für ein Novum. Sie steht dort als Markus (Tessa) Ganserer, also auch mit ihrem ursprünglichen Namen. Deadname nennen Transsexuelle ihren eigentlich abgelegten ursprünglichen Vornamen, Ganserer wollte ihn auch nicht auf dem Wahlzettel haben. Für den Landeswahlleiter war angesichts des rechtlichen Rahmens aber nicht mehr als Tessa in Klammern möglich. Der Grund ist, dass Ganserer ihren Eintrag im Melderegister und auf ihrem Personalausweis noch nicht änderte. Das ist keine Nachlässigkeit von Ganserer, sondern eine politische Entscheidung:

Um den Namen zu ändern, schreibt das aus dem Jahr 1980 stammende Transsexuellengesetz vor, zwei selbstbezahlte psychologische Gutachten und einen Lebenslauf über den transsexuellen Werdegang einzureichen. Am Ende entscheidet dann ein Richter über den Namenswechsel – ein entwürdigendes Prozedere, wie nicht nur Ganserer findet. Im bayerischen Landtag hingegen lief ihr Wechsel des Namens und der Identität unkompliziert. Landtagspräsidentin Ilse Aigner von der konservativen CSU ruft seit dem Identitätswechsel Anfang 2019 stets „die Abgeordnete Tessa Ganserer“ auf. Aigner entsprach dem Wunsch der mit männlichem Namen in den Landtag eingezogenen Fränkin mit der sprichwörtlichen Liberalitas Bavariae:

„Aus einem Kollegen wird eine Kollegin, das sollte hier im Haus kein Problem sein und respektiert werden – mir ist die Persönlichkeit eines Menschen immer wichtiger als das Geschlecht.“

Ilse Aigner, 2019

Ob der künftige Bundestagspräsident oder die künftige Bundestagspräsidentin – momentan hat Wolfgang Schäuble (CDU) das Amt inne – auch so liberal entscheidet, falls im Personalausweis von Tessa weiter Markus steht? Diese Frage könnte sehr bald konkret werden. Denn Ganserers Chancen stehen sehr gut. Sie steht auf der Liste der Grünen in Bayern auf Platz 13. Bei der Bundestagswahl 2017 schafften es zwar nur elf Grüne aus Bayern nach Berlin, aber damals holten die Grünen nur 9,8 Prozent – mittlerweile sind sie in Umfragen deutlich stärker. Ganserer macht sich sogar Hoffnung, ein Direktmandat zu holen. „Für uns ist vollkommen klar: Wir streiten mit der CSU um Platz eins“, sagte sie nach ihrer Nominierung im Februar. Sollte ihr der Gewinn des Direktmandats oder auch nur der Einzug in den Bundestag gelingen, dürfte das wieder international für Aufsehen sorgen – so war es schon bei der Veröffentlichung ihrer Transidentität als Landtagsabgeordnete. Für Ganserer würde es dann ein nächster großer Schritt auf einem Weg sein, den sie mit wachsender Souveränität geht.

Als Ganserer sich im Januar 2019 der Öffentlichkeit als transsexuelle Abgeordnete vorstellte, wirkte sie noch etwas nervös. Noch Monate vorher, im Wahlkampf zur Landtagswahl 2018, war die 1977 im niederbayerischen Zwiesel geborene Ganserer mit Vollbart aufgetreten. Der Bart kam dann schnell ab, mittlerweile tritt Ganserer durchgehend mit Langhaarperücke auf, dezent geschminkt, betont weiblich gekleidet. In ihrem direkten Umfeld genießt Ganserer breite Unterstützung für ihren Weg. Ihre Frau, mit der sie zwei Kinder hat, blieb an ihrer Seite. Der taz berichtete Ganserer von der Reaktion ihres Vaters. „Andere haben schwule Söhne, und du bist halt a Frau“, habe er gesagt. Frau Tessa Ganserer will jetzt in den Bundestag – auch wenn sie staatlich verordnet auch als Markus kandidieren muss. *AFP

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