Transfeindliche Übergriffe durch Kinder und Jugendliche: Gesellschaftsversagen

Nach dem tödlichen Angriff auf trans Mann Malte C. durch einen 20-Jährigen erschüttern zwei weitere Fälle die Öffentlichkeit. In Bremen sind vier 12- und 13-Jährige tatverdächtig, in Berlin ein 16-Jähriger ermittelt worden. Warum Medien und Bildung Veränderung schaffen müssen.

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Es gibt erste Verdächtige im Fall der trans Frau, die Anfang September in Bremen von einer Gruppe Kinder und Jugendlicher attackiert und schwer verletzt wurde. Der Vorfall reiht sich in eine Liste von transphoben und queerfeindlichen Übergriffen ein, die in den letzten Wochen von jungen Personen begangen wurden.

Kinder als Täter?

Am Sonntag den 4. September ist die 57-jährige in einer Straßenbahn von einer Gruppe von 15 Kindern gewaltsam angegriffen worden. Berichten zufolge wurde sie von mehreren Mitgliedern der Gruppe transphob beleidigt, woraufhin ihr die Perücke vom Kopf gezogen und sie geschlagen wurde. Die Täter flohen aus der Bahn nachdem andere Fahrgäste einschritten. Mit schweren Gesichtsverletzungen wurde das Opfer in einer Klinik behandelt (männer* berichtet). 

Nach einer einwöchigen Untersuchung wurden weitere Informationen zum Tatverlauf sowie vier Tatverdächtige im alter zwischen 12 und 13 ermittelt. Wie die Bremer Polizei am Dienstag mitteilte, seien die Kinder durch Videomaterial als mutmaßliche Täter identifiziert worden. Während eines Einsatzes im Stadtteil Huchting am Sonntagabend glaubte ein Beamter der Polizei einen der Verdächtigen von den Videoaufnahmen zu erkennen, woraufhin er und neun weitere Kinder und Jugendliche mit zur Wache genommen wurden. Vier 12 und 13-jährige konnten als Täter identifiziert werden, wobei genauere Untersuchungen zu deren Tatbeiträgen noch nicht abgeschlossen sind. 

Obwohl in vielen Berichterstattungen von einer Gruppe Jugendlicher die Rede ist, handelt es sich bei den bisherigen tatverdächtigen um Kinder, die im strafrechtlichen Sinne noch nicht strafmündig sind. In Deutschland liegt diese gesetzliche Grenze zum Jugendalter bei 14 Jahren.  

Nach weiteren Tätern wird gefahndet und wegen Hasskriminalität und gefährlicher Körperverletzung ermittelt. Der Staatsschutz entschied sich jedoch gegen eine Veröffentlichung der aus den Überwachungsvideos gewonnenen Bilder. Grund dafür seien die Persönlichkeitsrechte der Kinder und Jugendlichen.

Foto: twitter.com/lauraspolitics

Auf Twitter äußerten sich Stimmen ironisch-kritisch zu dieser Situation: In solch einem Falle sei das Fassen der Täter als wichtiger einzustufen als die Persönlichkeitsrechte der Tatverdächtigen. 

16-jähriger greift trans Frau in Berlin an

In Berlin ereignete sich am vergangenen Samstag ein weiterer transphober Vorfall, der sich in die Liste der von jungen Personen begangenen queerfeindlichen Übergriffen einreiht. 

Ein 16-jähriger betrat einen Friseursalon in Friedrichsfelde, in dem eine 49 Jahre alte trans Frau arbeitet. Polizeilichen Angaben zufolge, wollte er sich entschuldigen, da er sie bereits in der Vergangenheit beleidigt und bedroht hat. Als sie ihn aufforderte, das Geschäft zu verlassen, beleidigte er sie zunächst wieder transphob, bevor er versuchte sei zu schlagen und mit einem Pflasterstein zu bewerfen. Glücklicherweise blieb die Frau unverletzt und der Stein traf und beschädigte lediglich die Eingangstür des Geschäfts. 

Die Berliner Polizei konnte den Tatverdächtigen noch am Tatort festnehmen. Gegen ihn wird nun vom Staatsschutz wegen Beleidigung und versuchter Körperverletzung ermittelt. 

Giorgio Trovato

Trauer um Malte noch frisch

Erst ende August wurde Deutschland von dem Vorfall beim CSD in Münster entsetzt, bei dem Malte C. ums Leben kam. Der trans Mann war eingeschritten, als zwei Teilnehmerinnen der Pride Demonstration homophob und misogyn beleidigt worden waren, woraufhin er  brutal angegriffen und schwer verletzt worden war (männer* berichtet). Der Tatverdächtige ist 20 Jahre alt. Maltes Tod erschütterte die LGBTIQ* Gemeinschaft und den Rest von Deutschland. 

Wer hat denn nun Schuld an der jugendlichen Gewalt? 

All diese Angriffe haben eine beunruhigende Gemeinsamkeit - sie sind von jugendlichen und jungen Erwachsenen begangen worden, im Fall von Bremen sogar von Kindern. 

Wie viel die Schuldzuweisung und Verteufelung der jungen Menschen und ihren Eltern bringt, lässt sich anzweifeln, genau wie die Verknüpfung von den mutmaßlichen Tätern und ihrem Migrationshintergrund. Welchen Nutzen haben Artikel wie „Mit der Migration wächst die Homophobie“, - gesehen in der BILD - außer weiter Hass und Hetze gegenüber Menschen mit internationaler Geschichte zu schüren? 

Doch wer hat dann Schuld an der Häufung solcher Vorfälle, begangen von Kindern und Jugendlichen? Ist es nicht vielmehr das gesellschaftliche Bild von LGBTIQ*, welches der jungen Generation vermittelt wird? Dieses Bild ist vor allem von den Medien geprägt - auch, weil in Schulen so gut wie keine queere Bildung stattfindet. 

Die Macht der Medien

Laut einer Studie des Ipsos von 2021 hat der Großteil der Deutschen keinen persönlichen Kontakt zu (offen lebenden) LGBTIQ* Personen. Nur 40% der Befragten kennen eine lesbische oder schwule, 17% eine bisexuelle, 7% eine transexuelle, und 4% eine nichtbinäre oder genderfluide Person.

Grafik: Ipsos

Das bedeutet auch, dass das Wissen von vielen Deutschen fast ausschließlich durch Medienberichterstattungen passiert. Diese hat dadurch einen maßgeblichen Einfluss auf das gesellschaftliche Bild der queeren Community. 

Anstatt nun Kinder oder Menschen mit Migrationshintergrund zu verteufeln, täten Emma, Bild, und co also weitaus mehr für trans Menschen, wenn sie anfangen würden würdevoll, ausreichend, und menschlich über sie zu berichten. Angefangen damit, dass die Identität von trans Personen nicht mehr zur Debatte gestellt wird, dass TERFS keine Platform mehr geben wird, und dass über queere Personen nicht nur dann berichtet wird, wenn sie angegriffen werden. 

LGBTIQ* in Schulen 

Ein weiterer effektiver Weg, um bei Kindern und Jugendlichen die Akzeptanz zu fördern wäre es die Schule zu einem Ort der Vielfalt zu machen. Soll zwar offiziell das Thema  „Vielfältige Lebensweisen und Identitäten“  fächerübergreifend vermittelt werden, so fehlt es jedoch an einer konkreten und verbindlichen Einbindung in den Lehrplan, weswegen queere Themen in der Schule oft auf der Strecke bleiben. 

Der Lesben und Schwulenverband Deutschland (LSVD) hat politische Forderungen aufgestellt die helfen sollen, dass Schulen LGBTIQ*-Feindlichkeit entgegenwirken: Laut LSVD sollten zunächst ein Vielfaltsbeauftragter eingestellt werden sowie ein Antidiskriminierungs-Management etabliert werden. Außerdem sei es wichtig Schulmaterialien zur Verfügung zu stellen, die nicht nur hetero- und cis-Vorbilder verwenden. 

Auch im Aktionsplan für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt den Queerbeauftragter Sven Lehmann August 2022 vorlegte, finden sich wichtige Handlungsfelder um die Lage von LGBTIQ* in Deutschland nachhaltig zu verbessern.

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