NETZPOLITIK – STUDIENERGEBNISSE ZUR APP-ZENSUR

© Foto: Andrea M. Junker

Dass wir alle durch die Nutzung des Internets immer gläserner werden, sei es freiwillig durch die Erstellung von Profilen oder unfreiwillig durch Geheimdienstaktivitäten, wurde uns kürzlich um einiges bewusster. Viel direkter diktieren aber amerikanische Unternehmen europäischen Anbietern ihre Moralvorstellungen – PlanetRomeo setzte eine Studie auf.

Ein ganz anderer Aspekt der amerikanischen Vorherrschaft im Geschäft mit mobilen Anwendungen wurde zu Beginn dieses Jahres dem europäischen Unternehmen PlanetRomeo und seinen Mitgliedern deutlich: Bilder mit nackten Menschen sollen nach Aufforderung von Apple und Google aus den App-Angeboten verschwinden. Genau das gleiche Problem haben übrigens auch Kunsthäuser wie das Leopoldmuseum in Wien oder Verlage wie der unsere bei Facebook. Obwohl laut deutschem Recht mit großem Abstand keine Pornografie, sondern nur Nacktheit, meist im künstlerischen Kontext, gepostet wurde, wurden die Inhaber der Profile umgehend ermahnt und die betreffenden Posts gelöscht. (siehe Bild – dies ist laut Facebook verbotene Pornografie)

PlanetRomeo wollte diese Einmischung in seine europäische Geschäftspolitik nicht auf sich sitzen lassen und startete eine groß angelegte Studie in Kooperation mit der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. 143.568 Teilnehmer wurden zu ihrem Nutzungsverhalten von Smartphones und Apps befragt und sollten ihre Meinung zum Nackheitsverbot bei Google und Apple äußern.

Die Ergebnisse der Studie zeigen einerseits einen hohen Grad der Auseinandersetzung mit dem Thema (62 % der Teilnehmer wussten bereits über die Zensurdiskussion Bescheid) und einen hohen Anteil an Teilnehmern, die den App-/Playstore Betreibern hier direkte Zensur vorwerfen (83 %). Andererseits zeigen die Ergebnisse der Studie aber auch eindeutig, dass Apps nicht die Zukunft sein werden, sollten amerikanische Unternehmen weiterhin ihre wirren Moralvorstellungen durchdrücken wollen. Auf die Frage, ob PlanetRomeo sich mit den Nutzungsregeln der Stores einverstanden erklären soll, antworteten 65 % mit einem klaren nein. 52 % der Teilnehmer erklärten es als unerlässlich, das PlanetRomeo sich auf die (storeunabhängige) Optimierung einer mobilen Browserversion konzentrieren solle. Weitere 28 % hielten diese Lösung für überlegenswert. Interessanterweise unterscheiden sich die prozentualen Abweichungen zwischen Android-(Google-) und iOS-(Apple-)Usern in der Beantwortung der Fragen nur marginal. Der „Fanboy“-Effekt, der im Kampf zwischen den Betriebssystemen immer gerne herangezogen wird, greift bei der Bewertung von Zensur kaum. Eine Einmischung in die Contentnutzung des eigenen Gerätes gestehen nur 16 % der Android-User den Anbietern zu. Bei den iOS-Usern sind es gar nur 14 %, die es in Ordnung finden, dass der Softwareentwickler ihnen vorschreibt, welchen Content sie auf ihrem Endgerät nutzen dürfen.

Für Anbieter wie PlanetRomeo, aber auch für Verlage wie den unseren, bedeutet diese Entwicklung einen klaren Fokus auf die Entwicklung Appstore-unabhängiger browserbasierter Anwendungen. •ck

STIMMEN AUS DER POLITIK

Peer Steinbrück (SPD): „Als Bundeskanzler werde ich mich ... dafür einsetzen, dass das sogenannte Marktortprinzip auch und gerade für Internetunternehmen gilt.“

Die Linke ist in einer politischen Bewertung noch nicht weit genug fortgeschritten, um eine Aussage treffen zu wollen.

FDP und Grüne haben es nicht geschafft, rechtzeitig eine Antwort zu senden.

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