MERKEL IM VIDEO – KEINER VON VIELEN

„Ihr müsst keine Angst haben“, sagte Bundeskanzlerin Merkel anlässlich des Integrationsspieltags in der Fußball-Bundesliga. Die Worte galten einem schwulen anonymen Bundesligaprofi, der sich in einem Interview zu Homosexualität im Fußball geäußert hat. „Er lebt in einem Land, in dem er sich vor einem Outing nicht fürchten muss.“ Solange er seinen Freund nicht heiraten will hat Frau Merkel jedenfalls kein Problem.

Und warum spricht die Kanzlerin schwulen Fußballern Mut zu?

Im Fluter, dem Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung, spricht ein Bundesligaprofi über sein Leben als schwuler Spieler, der seine Homosexualität stets verstecken muss. Anonym versteht sich. Zu groß ist die Angst vor den Konsequenzen. Zu groß die Angst vor den Fans, möglicher Gewalt, Schmährufen, den Medien und davor, dass das Privatleben nicht mehr privat ist.

Und ist diese Angst begründet? Jain! Erst kürzlich wurde ein Spieler vom 1. FC Köln von Hooligans bedroht und bepöbelt. Sogar vor seinem Haus lauerten sie ihm auf. Dieser und andere Vorfälle zeigen die hässlichen Seiten des Fußballs. Eine Seite auf der Gewalt und Hass brodeln, gegen Alles was den vermeintlichen „Unterstützern“ der Vereine nicht passt.

Andererseits gibt es mittlerweile 19 Profivereine mit eigenen schwul-lesbischen Fanclubs. Auch das Medienecho auf das Interview war positiv. Von einem tollen, mutigen Signal wurde da gesprochen. Zudem scheinen Mitspieler erstens informiert zu sein und zweitens auch kein Problem mit dem Umstand zu haben, dass sie homosexuelle Kollegen haben. Einige fragten sogar interessiert nach, auch wenn es die Ausnahme sein soll. Das klingt nicht nach dem schlimmsten Arbeitsklima. Es scheint als wisse jeder bescheid, aber alle halten gemeinsam dicht. Als würde das Image, nicht nur der Spieler sondern des Sports an sich, darunter leiden käme heraus, dass nicht jeder Fußballprofi heterosexuell ist.

Warum muss ein schwuler Fußballprofi eigentlich so etwas besonderes sein? Ist er anders schwul als ein schwuler Eishockeyspieler oder ein schwuler Wasserballer? Die Antwort ist natürlich: Nein! Er ist nur deswegen etwas besonderes, weil es noch keiner gewagt hat darüber zu Sprechen und aus der (Hetero-)Reihe zu tanzen. Zumindest im aktiven Profibereich. Das Interview ist keine Offenbarung. Eher die Bekanntmachung einer Vermutung, die schon lange im Raum steht. Leider aber immer im Abseits.

Sicher ist eins: Jeder Mensch muss selbst entscheiden inwiefern sie oder er die eigene Sexualität öffentlich macht. Es ist im Endeffekt nur eine Kosten-Nutzen Rechnung. Wie viel riskiere ich, wie viel kann ich gewinnen? Wenn es genug Anreize gibt, um offen als schwuler Sportler zu leben und die Nachteile gleichzeitig möglichst gering sind, dann ist normales Leben und Lieben ohne Versteckspiele mit Sicherheit attraktiver. Kann ich mit meinem Freund in ein Restaurant gehen und nehme dafür die Berichterstattung und das Interesse an mir in kauf?

Es gilt die Mauern in den Köpfen aller Beteiligten einzureißen. Ein Sportler muss sich an seiner Leistung auf dem Platz messen lassen, nicht an dem, was in seinem Privatleben passiert, völlig egal ob schwul oder nicht. Das müssen die Fans verstehen, die Vereine und die Spieler. Irgendwann wird es den Spieler geben, der sagt: „Ja, ich bin schwul.“ Irgendwann wissen es alle. Irgendwann ist es allen egal. • N. Januszewski

Internet: LEST DAS INTERVIEW HIER

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