Blutspende: Diskriminierung wird durch Diskriminierung ersetzt

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„Immerhin" möchte Mann, der Sex mit Männern hat denken. Statt gar nicht Blut spenden zu dürfen, muss er in Zukunft nur ein Jahr abstinent sein. Das ist allerdings eine erste willkürliche Diskriminierung. Die neuen Blutspenderichtlinien bieten weitere.

Foto: Steve Bidmead / CC0

Es hat lange gedauert, bis die nach mehreren Skandalen um ungetestete Blutkonserven eingeführten Richtlinien zur Blutspende überhaupt einmal neugefasst werden. Viel zu lange, denn schon seit Jahren sind Testverfahren und wissenschaftliche Erkenntnisse über die Übertragung von HIV und Hepatitis den starren Richtlinien voraus. So kann eine HIV-Infektion heute bereits nach sechs Wochen festgestellt werden. Sechs Wochen? Warum soll dann ein Mann, der Sex mit Männern (MSM) hat, ein ganzes Jahr auf Sex verzichten, bevor er Blut spenden darf? Diese und andere Fragen ergeben sich aus dem heute vorgestellten Hämotherapie-Richtlinie der Bundesärztekammer.

Pauschale Einordnung in Risikogruppe ist Diskriminierung

In der neuen Richtlinie heißt es:

„Zeitlich begrenzt von der Spende zurückzustellen sind Personen, deren Sexualverhalten ein gegenüber der Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhtes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten, wie HBV, HCV oder HIV, bergen,  

  • für 12 Monate: 
  • heterosexuelle Personen mit sexuellem Risikoverhalten, z. B. Geschlechtsverkehr mit häufig wechselnden Partnern, 
  • Personen, die Sexualverkehr gegen Geld oder andere Leistungen (z. B. Drogen) anbieten (männliche und weibliche Sexarbeiter), 
  • Männer, die Sexualverkehr mit Männern haben (MSM), 
  • transsexuelle Personen mit sexuellem Risikoverhalten, 
  • Personen, die mit diesen Personen Sexualverkehr hatten, sind für 4 Monate zurückzustellen, also z.B. die Ehefrau eines Schwulen.
  • Anschließend werden in der Richtlinie zahlreiche Personengruppen aufgeführt, die für 4 Monate zurückzustellen sind, in einem Fall für sechs Monate"

Der LSVD bewertet folgerichtig:

Die Gruppe der MSM, die beim Sexualverkehr Kondome benutzen oder andere Formen des Safer Sex beachten, hat mit Sicherheit ein weitaus geringeres Übertragungsrisiko als die Gruppe der MSM, die das nicht tun. Warum man die erste Gruppe nicht in die Gruppe für „nicht hohes" Risikoverhalten mit der in Deutschland üblichen Rückstellfrist von 4 Monaten eingeordnet hat, wird weder in der Hämotherapie-Ricchtlinie noch in den anderen Papieren erläutert. Dasselbe gilt für die Gruppe der MSM, die in einer monogamen Partnerschaft leben. Sie werden in keinem der Papiere erwähnt. Man tut einfach so, als ob sie dasselbe Übertragungsrisiko hätten wie promiske MSM, die unsafe mit anderen Männern verkehren. 

Auch Heterosexuelle unwissenschaftlich bewertet

Für die vorurteilsbehaftete Vorgehensweise der Verfasser der Richtlinie spricht auch, dass sie weiterhin auf "Risikogruppen" abstellen, statt auf Risikoverhalten, was der LSVD schon seit Jahren fordert . Deshalb ist auch die Risikogruppe „heterosexuelle Personen mit sexuellem Risikoverhalten, z. B. Geschlechtsverkehr mit häufig wechselnden Partnern“ falsch beschrieben. Es kommt nicht darauf an, ob heterosexuelle Blutspender häufig wechselnden Geschlechtsverkehr hatten, sondern ob dieser safe oder unsafe war. 

Björn Beck vom Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe kommentiert:

„Eine Frist von einem Jahr schließt die meisten schwulen und bisexuellen Männer weiterhin unnötig von der Blutspende aus. Das ist nicht mehr als Kosmetik und eine Unverschämtheit.“

Aus der Politik meldete sich Kordula Schulz-Asche, Sprecherin für Prävention und Gesundheitswirtschaft von Bündnis90/Grüne zu Wort:

„Die Novellierung der Bundesärztekammer führt die Diskriminierung von schwulen und bisexuellen Männern weiter fort. Eine Frist von zwölf Monaten ohne Sex für eine Blutspende, das ist sachlich unbegründet. Sie sollte sich an der Nachweisbarkeit einer HIV-Neuinfektion orientieren – diese beträgt sechs Wochen. Blut zu spenden ist ein Engagement für die Gesellschaft – und da hat Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung keinen Platz.“

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