„Wir brauchen jeden Blutspender“

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Diskriminierung von Männern, die Sex mit Männern haben bei der Blutspende beenden

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Foto: Deutscher Bundestag / Stella von Saldern

„Wir fordern seit Jahren, dass das individuelle Risikoverhalten und nicht die sexuelle oder geschlechtliche Identität über die Zulassung zur Blutspende entscheiden. Es ist ein wichtiges Zeichen, dass Bundesgesundheitsminister Lauterbach die Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag jetzt umsetzen will. Die aktuelle Diskriminierung von Männern, die Sex mit Männern haben, bei der Blutspende gefährdet angesichts der prekären Lage bei der Blutversorgung das Wohl der Patienten.

Wir brauchen jeden Spender, um den drohenden Notstand bei Blutkonserven zu verhindern.“

Jürgen Lenders, LSBTI-politischer Sprecher der FDP-Fraktion


Auch der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) begrüßte die geplante Änderung des Transfusionsgesetzes und nannte sie „längst überfällig“.  „Ob jemand Blutspender werden kann, ist eine Frage von Risikoverhalten, nicht von sexueller Orientierung“, sagte Lauterbach. „Versteckte Diskriminierung darf es auch bei diesem Thema nicht geben.“ Die Bundesärztekammer müsse „endlich nachvollziehen, was im gesellschaftlichen Leben längst Konsens ist“. Die Blutspende-Einschränkungen für vornehmlich Homosexuelle, Bisexuelle und trans Männer stammen noch aus der Zeit der Aids-Krise. Dahinter stand die Sorge, dass bei schwulen Männern das Risiko einer Weitergabe des Virus durch eine Blutspende besonders hoch ist. Die Maßnahme wird seit langem als diskriminierend kritisiert, die Ampel-Parteien hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag auf eine Abschaffung verständigt. 

Ärztekammer handelte nicht - Lauterbach nutzt Gesetzeskraft

In Lauterbachs Änderungsantrag zum Transfusionsgesetz heißt es nun laut RND: „Die sexuelle Orientierung und die Geschlechtsidentität dürfen keine Ausschluss- oder Rückstellungskriterien sein.“  Nach der aktuell maßgeblichen Richtlinie der Bundesärztekammer dürfen Männer, die Sex mit Männern haben, nur dann Blut spenden, wenn sie in den zurückliegenden vier Monaten keinen Sexualverkehr mit „einem neuen oder mehr als einem Sexualpartner“ hatten. Bei allen anderen Menschen besteht diese Sperre dagegen nur bei „häufig wechselnden Partnerinnen und Partnern“.

Foto: Christian Marquardt / NurPhoto / AFP

Die Richtlinie war zuletzt 2021 leicht entschärft worden (männer* berichtete) – davor lag die Frist bei zwölf Monaten. Nun soll laut RND vorgeschrieben werden, dass das sexuelle Risiko, das zu einem Ausschluss oder einer Rückstellung von der Spende führt, nur auf „Grundlage des individuellen Verhaltens der spendewilligen Person“ ermittelt werden darf. „Gruppenbezogene Ausschluss- oder Rückstellungstatbestände sind insoweit nicht mehr zulässig.“ Die Bundesärztekammer hat dem Bericht zufolge nach der für den 1. April geplanten Inkrafttreten der Gesetzesänderung vier Monate Zeit, im Einvernehmen mit dem staatlichen Paul-Ehrlich-Institut eine neue, diskriminierungsfreie Richtlinie auszuarbeiten. Sollte die Kammer die Richtlinie innerhalb der vier Monate nicht  ändern, soll das Institut die Änderung in Übereinstimmung mit der Neubewertung und im Einvernehmen mit dem Robert Koch Institut (RKI) vornehmen. Dafür habe es weitere zwei Monate Zeit. 

Koalitionspartner und Verbände mit Zustimmung

Die FDP-Gesundheitsexpertin Christine Aschenberg-Dugnus erklärte, die bisherige Regelung sei „nicht nur aus der Zeit gefallen, sondern auch schlichtweg diskriminierend“. Sie betonte: „Wer Blut spenden möchte, sollte dies auch tun können. Denn die Blutspende rettet Leben.“ Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dagmar Schmidt erklärte: „Dass Männer, die Sex mit Männern haben, nur eingeschränkt Blut spenden dürfen, ist diskriminierend.“ Mit der geplanten Änderung des Transfusionsgesetzes „sorgen wir für die Beseitigung dieser einseitigen Andersbehandlung“. Sie verwies darauf, dass jetzt alle Blutspenden auf HIV und andere übertragbare Krankheiten geprüft würden, „dies gewährleistet auch in Zukunft die höchstmögliche Sicherheit“. 

Alfonso Pantisano, Vorstandsmitglied im Lesben- und Schwulenverband (LSVD), erklärte:

„Die Abschaffung dieser Diskriminierung war ein langer Weg und ein harter Kampf.“

Mit der Gesetzesänderung werde eine langjährige Forderung des LSVD umgesetzt. Es müsse aber sichergestellt sein, dass Blutspenderinnen und -spender „auch nicht versteckt nach sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität unterschieden und damit ausgeschlossen werden“. Die bisherige Regelung baue auf Stigmatisierungen auf und erzeuge Diskriminierungen, kritisierte Pantisano. 

Ärztekammer mauert

Foto: baek.de

Die Bundesärztekammer (BÄK) spricht sich laut einem Bericht des Ärzteblattes dafür aus, diese Entscheidung an medizinisch-wissenschaftliche Evidenz zu knüpfen. Laut Bericht warne die BÄK 

„vor Bestrebungen der Politik, die Richtlinienkompetenz von der Bundesärztekam­mer auf weisungsgebundene Bundesoberbehörden zu verlagern,“ erklärte die BÄK auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes. „Wenn die politischen Entscheidungsträger bei den Auswahlkriterien für die Blutspende von diesem wissen­schaftlichen Stand abweichen wollen, dann stehen sie auch in der unmittelbaren Verantwortung gegenüber den Menschen, wenn diese zu Schaden kommen.“

Weiter wies die Kammer laut Ärzteblatt darauf hin, dass sie im Februar eh turnusgemäß die Aktualisierung der Richtlinie durchführe, die laut Transfusionsgesetz alle zwei Jahre zu erfolgen habe. *ck/AFP/cha/pw


Meinung

Danke Herr Lauterbach!

Auch oder besser weil sich die Ärztekammer offenbar auf den Schlips getreten fühlt, ist Ihr Vorstoss richtig und wichtig. Denn bisher deutete sich nicht an, dass die Ärztekammer im Februar zu wirklich neuen Ergebnissen ihrer Risikoabwägung gekommen wäre.

Die fast schon populistische Warnung vor Personenschaden im Ärzteblatt steht damit in bester diskriminierender Tradition: Deutschland hinkt in der Frage der Risikobewertung bei der Blutspende schon seit Jahren der wissenschaftlichen Evidenz und der gesellschaftspolitischen Realität in den meisten westlichen Ländern hinterher. Die Ärztekammer muss sich gegenteilig fragen lassen, ob die von ihr geforderte medizinisch-wissenschaftliche Evidenz nicht im eigenen Haus durch Moralin verwässert wurde und wird.  

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