Selbstbestimmungsrechte: Kippen TSG und 219a schon im Januar?

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In Interviews haben Familienministerin Anne Spiegel (Grüne) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) die schnelle Abschaffung des Transsexuellengesetzes und die Aufhebung des Werbeverbotes für Schwangerschaftsabbrüche angekündigt. 

Die neue Bundesfamilienministerin Spiegel bezeichnete die Abschaffung des Informationsverbots für Abtreibung als eine dringliche Priorität. Gegenüber der „taz” vom Mittwoch kündigte sie zeitnahe Gespräche mit Bundesjustizminister Buschmann an:

Foto: Ina Fassbender / AFP

„... die Abschaffung des Paragrafen 219a des Strafgesetzbuches {...} steht schnell auf dem Programm. {...} Das werde ich in Kürze mit dem Bundesjustizminister besprechen. Auch die Abschaffung des Transsexuellengesetzes betrifft beide Ressorts. Beides können wir schnell anpacken.” 

Anne Spiegel

Themen der sexuellen Selbstbestimmung seien für sie „eine Frage der Haltung”, sagte die Ministerin weiter. „Wenn vor gynäkologischen Praxen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, Menschen stehen, die ungewollt Schwangere sowie ihre Ärztinnen und Ärzte anfeinden, ist für mich eine rote Linie überschritten”, sagte Spiegel. „Ich habe eine klare Haltung, ich brenne für meine Themen, und bei meiner Grundhaltung bin ich nicht bereit, Abstriche zu machen.”

Gesetzentwurf schon im Januar?

Buschmann kündigte gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Mittwoch bereits für Januar einen Gesetzentwurf an. Paragraf 219a des Strafgesetzbuches bedeute für Ärztinnen und Ärzte „ein strafrechtliches Risiko, wenn sie beispielsweise auf ihrer Homepage oder sonst im Internet sachliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche bereitstellen.” Das halte er für „absurd”. Viele Frauen, „die mit sich um die Frage eines Schwangerschaftsabbruches ringen, suchen auch im Netz nach Rat”, sagte der Minister.

Foto: Ina Fassbender / AFP

„Dass aber ausgerechnet die fachlich am ehesten zur Aufklärung berufenen Ärztinnen und Ärzte dort nicht informieren dürfen, kann nicht sein.”

Marco Buschmann

Wie realistisch ist das?

Beide Ministerien können auf fertige Gesetzesentwürfe aus den letzten acht Oppositionsjahren zurückgreifen, die ihre Fraktionen regelmäßig gegen die nicht vorhandenen oder halbherzigen Entwürfe der großen Koalition in den Bundestag eingebracht hatten. Bei der Abschaffung des Paragrafen 219a StGB wird das zügig gehen – hier ist ein Inkrafttreten noch vor der Sommerpause möglich. Beim Transsexuellengesetz wird es angesichts der Fülle der notwendigen Neuregelungen und der betroffenen Verwaltungsfelder eventuell länger dauern. Allerdings hat Spiegel ein Ass im Ärmel: Ihr Parlamentarischer Staatssekretär Sven Lehmann wird als einer der beiden queerpolitischen Sprecher*innen der letzten Legislatur die komplizierten Vorgänge bei der Erstellung des grünen Entwurfs zu einem modernen Selbstbestimmungsgesetz noch vor Augen haben und – viel wichtiger – wissen, wen er wo fragt oder auch besser nicht fragt. Ein weiteres Pfund auf der Habenseite: der dritte Koalitionspartner.

SPD signalisiert volle Unterstützung

Den „frauenfeindlichen Paragrafen“ 219a hätte die SPD „gerne schon vor Jahren gestrichen“, sagte Vize-Fraktionschef Dirk Wiese in Reaktion auf die Vorstöße den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Mit der Union sei „das jedoch nicht zu machen“ gewesen. Auch eine „menschenwürdige Regelung“ als Ersatz für das 40 Jahre alte Transsexuellengesetz sei von den „Hardlinern“ in der Union jahrelang blockiert worden – obwohl das Bundesverfassungsgericht diesbezüglich mehrfach eine Reform angemahnt habe, kritisierte Wiese und hebt den Daumen:

Foto: John MacDougall / AFP

„Ich plädiere dafür, beide Gesetze jetzt zügig auf den Weg zu bringen, wir sollten keine Zeit verlieren.“

Dirk Wiese

*AFP/pw/isd

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