Bettina Jarrasch: „Berlin braucht eine neue Führung“

Klartext im männer* Interview mit der Spitzenkandidatin der Grünen für die Berliner Abgeordnetenhauswahl. Nicht nur in der Koalitionsfrage, sondern auch bei den Aufregerthemen Mobilitätswende und Queerfeindlichkeit.

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Ihre im letzten Interview vorausgesagte Totalopposition gegen die Verkehrswende ist sogar innerhalb der Koalition zu spüren. Obwohl vereinbart, scheint die SPD den Autofahrenden weiter ihre Privilegien im öffentlichen Raum bewahren zu wollen. Wie haben Sie die letzten Monate empfunden? 

Die Mobilitätswende ist in erster Linie eine Frage von Gerechtigkeit und Sicherheit. Ich möchte den öffentlichen Raum gerechter verteilen, damit sich dort auch Fußgänger*innen und Radfahrende sicher bewegen können und der ÖPNV gut durchkommt. Das geht natürlich zulasten des Autos und da gibt es vor allem bei der CDU und immer wieder auch bei der SPD starke Beharrungskräfte, dass alles so bleibt, wie es ist. Wir haben uns aber als Grüne davon im Senat nicht abhalten lassen und das sieht man auch auf den Straßen: es gibt mehr und mehr sichere Radwege. 

Foto: Dominik Butzmann

Mit der Parkraumnutzung durch Fahrräder und Scooter ist Ihnen ein Coup gelungen. Wie rechtssicher ist die Sache, die immerhin rechnerisch das Nutzungsprivileg dieser Räume auf die andere Hälfte der Berliner Bevölkerung ausweitet? 

Wir haben die Rechtslage garnicht verändert, das ist in der Straßenverkehrsordnung so geregelt. Wir haben aber endlich klargestellt: Gehwege müssen für Fußgänger*innen frei sein, also auch für Kinderwägen und Menschen im Rollstuhl. Deshalb sollten Motorräder und Lastenräder auf der Straße parken. 

„Parkplätze sind für alle Fahrzeuge da, nicht nur für Autos. Die Botschaft ist angekommen.“

Zudem haben wir in den letzten Jahren über 26.000 Fahrradstellplätze geschaffen, damit man die auch anschließen kann. Und für Scooter schaffen wir mit Jelbi zusammen eigene Abstellflächen, das Abstellen außerhalb dieser Stellflächen ist dann verboten. 

Was sind grüne Pläne für Queerpolitik, sollte es wieder in die Verantwortung für die Stadt gehen? 

Berlin ist nicht ohne Grund Regenbogenhauptstadt. Dennoch bleibt noch immer viel zu tun, um Diskriminierung immer weiter abzubauen und Gleichstellung in allen Bereichen unserer Stadtgesellschaft zu sichern. Wenn ich Regierende Bürgermeisterin werde, werde ich dafür Sorge tragen, dass die Beratungs-, Empowerment- und Antidiskriminierungsstrukturen für LSBTIQ* weiter ausgebaut werden – und zwar in der gesamten Stadt. Hier gibt es gerade außerhalb des S-Bahn-Rings noch deutliche Lücken in der queeren Infrastruktur. Aber es darf eben nicht davon abhängen, wo man in Berlin wohnt, aufwächst, zur Schule oder zur Arbeit geht, um gerade als junger queerer Mensch Unterstützung zu erhalten. Und wir brauchen eine entschlossene Initiative gegen Queerfeindlichkeit, gerade im öffentlichen Raum.

Dafür müssen die Präventions- und Antigewaltarbeit verstärkt werden – und Sensibilisierungsprojekte gerade im Bereich Schule und Bildung unterstützt werden, statt sie zu kürzen, wie die zuständige Bildungsverwaltung in den letzten Haushaltsberatungen vorhatte. 

„Das haben wir erfolgreich verhindert!“

Foto: Dominik Butzmann

Wir hatten darüber gesprochen, dass Queerpolitik ein Querschnittsthema sei, ähnlich wie das auch beim Klima ist. Haben Sie ein oder zwei Beispiele? 

Stimmt: Wie der Klimaschutz sind auch queerpolitische Anliegen in allen Senatsressorts von Belang. Ich will, dass sie entsprechende Berücksichtigung und Aufmerksamkeit finden. Ob Sicherheit im ÖPNV oder diskriminierungsfreier Zugang zu Wohnraum, ob eine queersensible Pflege oder ein Coming-out ohne Mobbing an unseren Schulen – in allen gesellschaftlichen Handlungsfeldern sind gleiche Rechte für LSBTIQ* relevant. 

Als letzte Frage wiederhole ich die letzte Frage aus dem letzten Interview: Lieber Giffey oder Lederer? 

Wir haben eine klare Präferenz: Wir würden gern mit Rot-Rot weiterregieren, aber unter Grüner Führung. Nach mehr als 20 Jahren mit SPD-geführten Landesregierungen ist es Zeit für einen Wechsel. Eine neue Führung täte der Stadt gut. Ich kann mit beiden gut Zusammenarbeiten und möchte das fortsetzen. Und ganz wichtig: Berlin braucht eine neue Führung – aber keine von der CDU angeführte Regierung!

*Interview: Christian Knuth

➡️ bettina-jarasch.de

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