Tatsächlich homophobe Zensur bei Emirates?

by

Der „Evening Standard“ aus London veröffentlicht einen Bericht über herausgeschnittene schwule und lesbische Küsse im Bordprogramm der Fluglinie Emirates – und fast alle Medien schreiben ihn fast wörtlich ab. Aber taugt die Nachricht so überhaupt zum Skandal?

Foto: gemeinfrei / CC0

Konkret sei dem Bericht nach ein schwuler Kuss aus dem Film „Ladybird“ herausgeschnitten worden. Die Szene im Original: Hauptdarstellerin Christine (Saoirse Una Ronan) erwischt ihren Schwarm Danny (Lucas Hedges aus „Boy Erased“) mit einem Mitschüler knutschend auf der Toilette. Im Bordprogramm von Emirates wird die Toilettenknutschszene nicht gezeigt. Auch aus der  Agentenserie „Killing Eve“ ist dem Bericht nach, eine lesbische Kussszene zwischen der Mörderin Villanelle (Jodie Comer) und einer anderen Frau herausgeschnitten worden.

Emirates schneidet nicht selbst

Schon gegenüber dem „Evening Standard“ ließ Emirates mitteilen, dass das Unternehmen überhaupt nicht das Recht habe, selbst in lizensierte Filme und Serien eingreifen zu dürfen. Auf blu Anfrage konkretisiert ein Unternehmenssprecher:

Emirates hat keine Rechte zur Bearbeitung von lizenzierten Film- oder Fernsehinhalten. Wir kaufen Filme und Serien ein, die von den Filmstudios und Distributoren produziert werden. Emirates lizensiert vorwiegend die original Kinofassungen. Als familienfreundliche Fluggesellschaft, die ein internationales Publikum bedient, entscheiden wir uns in Fällen einer übermäßigen Darstellung von Gewalt, Sex und Nacktheit sowie vulgärer Sprache für den Erwerb einer bearbeiteten Version, die offiziell seitens der Studios oder Verleiher angeboten wird.“

Foto: Emirates

Das Unternehmen, das bereits 2007 öffentlich erklärte, es „diskriminiere niemanden auf Grund von ethnischer Zugehörigkeit, religiöser Überzeugung oder sexueller Orientierung“, wies außerdem auf sein Bordprogramm hin. Dort sind aktuell unter anderem offensiv queere Serien wie „Modern Familiy“ und „Will & Grace“ zu sehen. Zum aus dem Schnitt der Kussszenen unterschwellig formulierten Homophobie-Vorwurf gegen die Airline reicht es also nicht ganz. 

Jugendschutz, Familienfreundlichkeit & Queeres – ein bekanntes Problem

Alles deutet darauf hin, dass der schwarze Peter bei vorgeschalteten Content-Anbietern wie „IFE Services“ oder „OnBoard“  und den Film- bzw. Fernsehstudios liegt, die neben den ungeschnittenen Versionen auch „familienfreundliche“, meist unblutigere und sexfreiere Varianten für ihre Kunden im Angebot haben. Dass schwule Küsse bei dieser Bearbeitung als „sexuell“ gelten, Heteroküsse aber nicht, ist der eigentliche Skandal. Die ihr zugrundeliegende diskriminierende Homofeindlichkeit zeigt sich seit Jahren regelmäßig in den verschiedensten Zusammenhängen: Schwule Küsse wurden bei Facebook gelöscht, Kunst schwuler Fotografen wird immer wieder aus sozialen Medien entfernt, heteronormative Erotik dagegen nicht. Bei Jugendschutzfiltern für WLAN-Angebote landeten bereits ganze queere Nachrichtenseiten zum Beispiel bei IKEA oder Starbucks auf dem Index.

Foto: abc Studios / netflix

Politik gefragt

Liberale europäische Länder sehen sich insgesamt zunehmend einer fremdbestimmten Einschränkung ihrer Freiheiten ausgesetzt. Im Zuge globalisierter Märkte wird zur Vereinfachung ein kleinster gemeinsamer Nenner gesucht, die Überprüfung von Inhalten dabei nicht unbedingt an landesspezifisches Empfinden angepasst, sondern aus dem Mutterland eines Konzerns entschieden. Ein Umstand, der einer breiten Masse jenseits queerer Ansprüche am Beispiel Extremismus auf Facebook bewusst geworden ist. Zumindest für Unternehmen, die im Gebiet der Europäischen Union agieren, sollten Grundrechtsgarantien wie die Freiheit der Kunst vom Gesetzgeber vorgeschrieben und bei Nichtbeachtung sanktioniert werden. Das Zauberwort heißt Marktortprinzip.

Ob deswegen schon morgen wieder schwule Küsse auf Emirates-Flügen zu sehen sind, ist fraglich. Aber zumindest drüber sprechen sollten wir, denn auch hierzulande gibt es Kräfte, die den Jugendschutz sogar ganz offen homophob missbrauchen und „Frühsexualisierung“ oder „Genderchaos“ auf ihrer Agenda ganz weit oben eingetragen haben. 

Back to topbutton