Freispruch: Homohass schüren von der Religionsfreiheit gedeckt

Wenn sich zwei Grundrechte im Wege stehen, muss die Justiz sehr genau abwägen, welche Auswirkungen eine Einschränkung hätte. Das Bremer Landgericht entschied im Fall des Pastors Olaf Latzel zugunsten der Religionsfreiheit. Eine skandalös aus der Zeit gefallene Entscheidung, die die Staatsanwaltschaft hoffentlich nicht hinnimmt.

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Das Bremer Landgericht hat Pastor Olaf L. vom Vorwurf volksverhetzender Äußerungen über Homosexuelle freigesprochen. Nach Angaben eines Gerichtssprechers sahen sich die Richter in ihrem Urteil unter anderem an Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts gebunden, wonach bei der Bewertung derartiger Sachverhalte die für den Beschuldigten günstigste Interpretationsmöglichkeit heranzuziehen sei. Schon zu Beginn des Prozesses ließ das Verhalten der Richter*innen nichts Gutes hoffen: So wurde ein theologisches Gutachten der Verteidigung zugelassen, ein zweites der Staatsanwaltschaft nicht.

Die Richter*innen kassierten also das Urteil des Amtsgerichts, das den evangelischen Geistlichen zu einer Geldstrafe verurteilt hatte. Hintergrund des Verfahrens sind Äußerungen, die der Pastor einer sich selbst als „bibeltreu“ bezeichnenden Bremer Gemeinde 2019 in einem sogenannten Eheseminar tätigte. Diese wurden anschließend auch als Tondatei im Internet verbreitet.

Der 54-jährige Geistliche sprach mit Blick auf Homosexualität während dieses Seminars unter anderem von „Degenerationsformen der Gesellschaft“. Darüber hinaus bezeichnete der seit längerem auch öffentlich stark umstrittene Geistliche demnach Teilnehmer*innen und Teilnehmer an Christopher-Street-Day-Demonstrationen als „Verbrecher“. Auch sprach er von „Genderdreck“ und nannte diesen „zutiefst teuflisch“. Die Staatsanwaltschaft klagte ihn deshalb wegen Volksverhetzung an. Das Bremer Amtsgericht folgte dieser Argumentation und verurteilte den Pastor im vergangenen Jahr zu einer Geldstrafe von 8100 Euro. Dagegen ging der Mann vor dem Landgericht in Berufung. Er verteidigte sich unter anderem damit, dass seine Äußerungen nicht zum Hass auf konkrete Menschen aufgerufen, sondern nur die religiös begründete Ablehnung bestimmter gesellschaftlicher Ideen ausgedrückt hätten. Die Staatsanwaltschaft wertete dies in dem Berufungsverfahren laut Gerichtssprecher als „Schutzbehauptung“, das Gericht kam am Ende allerdings zu einer anderen Einschätzung.

Mit Blick auf vom Bundesverfassungsgericht gesetzte einschlägige juristische Beurteilungskriterien stuften sie diese Argumentation als legitime Interpretationsmöglichkeit ein, die zugunsten des Beschuldigten nicht von der Hand zu weisen sei. Eine wichtige Rolle bei der Entscheidung spielte laut Sprecher außerdem, dass das Gericht zu der Feststellung kam, dass die Einbettung der Passagen in den Gesamtkontext des Seminars mitentscheidend sei. 

Evangelische Kirche kritisiert Gericht 

Der Fall des Pastors beschäftigt die evangelische Kirche in Bremen schon seit langem. Der Mann ist ein bundesweit bekannter Vertreter der betont fundamentalistischen evangelikalen Glaubensauslegung der christlichen Schriften und aufgrund seiner Äußerungen heftig umstritten. Seine Gemeinde unterstützt ihn ausdrücklich. 2020 leitete die evangelische Kirche ein Disziplinarverfahren ein und enthob ihn vorläufig des Diensts. Aufgrund rechtlicher Bedenken kam es 2021 jedoch zu einer einvernehmlichen Regelung. Demnach darf der Pastor bis zum Abschluss der strafrechtlichen und disziplinarrechtlichen Verfahren weiter arbeiten. Er entschuldigte sich im Gegenzug öffentlich für seine Äußerungen und stellte dabei klar, dass er keinesfalls zu Menschenhass habe aufrufen wollen.

Die evangelische Kirche reagierte bereits auf den Freispruch. Die Kirchenpräsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche mit Sitz im niedersächsischen Leer, Susanne Bei der Wieden, verurteilte Latzels Äußerungen und griff das Gericht scharf an: 

 „Der Freispruch von Olaf Latzel ändert nichts daran: Als der Bibel verpflichtete Christin verurteile ich seine homophoben Äußerungen scharf", postete die Kirchenpräsidentin auf Twitter. Weiter schrieb sie: „Das Bremer Urteil gibt einseitig einem platten Biblizismus recht. Biblische Theologie bezeugt aber Gott als den Schöpfer aller Lebensformen.“ 

Ob der Fall mit dem Urteil des Landgerichts abgeschlossen ist, ist noch offen. Die Staatsanwaltschaft könnte es noch anfechten. Mehr dazu und zur mutmaßlich einseitigen Bevorteilung religiöser Dogmen gegenüber dem Recht,  auch als homosexueller Mensch diskriminierungsfrei leben zu dürfen, morgen früh zum Glockenleuten hier auf männer*. *AFP/bro/cfm/ck

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