Michael Müller: „SPD und CDU haben ein verschiedenes Weltbild“

by

Unser Sommerinterview zur Berlinwahl mit dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Michael Müller.

Foto: Berliner CSD e.V.

WELCHES SIND DIE DREI GRÖSSTEN HERAUSFORDERUNGEN FÜR BERLIN?

Die erste ist mit Sicherheit die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum. Den Bestand an städtischen Mietwohnungen werden wir deshalb um weitere 100.000 Wohnungen aufstocken. Dazu muss mehr gebaut werden, weitere Grundstücke müssen zur Verfügung gestellt werden. Zweitens werden wir die Bildungssituation verbessern und Sanierungsprogramme für die Schulen hochfahren. Wir haben bereits welche, aber die werden deutlich aufgestockt auf rund 5 Milliarden für die nächsten zehn Jahre. Und es wird eine neue, zentrale Organisation geben, damit die vorhandenen Mittel auch möglichst schnell verbaut werden. Das dritte Hauptthema ist die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen. Wir haben eine tolle Entwicklung, die Arbeitslosenquote ist auf dem niedrigsten Stand seit 25 Jahren. Hier dürfen wir nicht nachlassen, denn es sind noch immer knapp 180.000 Menschen ohne Arbeit.

STICHWORT BEZAHLBARER WOHNRAUM: WELCHE KONKRETEN MASSNAHMEN SIND BEREITS IM GANGE?

Seit 2011 wächst Berlin wieder. Deshalb haben wir umgesteuert und die Liegenschaftspolitik verändert. Die Grundstücke werden nun nicht mehr nach Höchstpreisverfahren verkauft, sondern wir gucken genau: Welche Grundstücke wollen wir selber nutzen? Diese werden dann entweder an die städtischen Gesellschaften für den Wohnungsbau übertragen oder an Kultur- oder Sozialinstitutionen, damit diese günstig bauen können. Grundstücke, die wir verkaufen, werden wiederum mit einer Auflage belegt. Der Investor darf nur dann bauen, wenn er auch 30 Prozent günstige Mietverträge für zum Beispiel Studenten zur Verfügung stellt.

WIE WICHTIG IST VIELFALT IN DER BILDUNGSPOLITIK?

Darum geht es ja im Moment bei allen Fragen: Wie können wir gutes Zusammenleben organisieren? Das ist nicht die Frage eines Ressorts. Jeder in der Verwaltung, in der Politik, in der Stadtgesellschaft ist in der Pflicht. Um das zu gewährleisten, sind solche Programme wichtig – in Schulen, in Kulturinstitutionen, in der Arbeit gegen Rechts, in der Antidiskriminierung. Das bildet einen Rahmen, aus dem mehr entstehen muss, damit aus dem Konzept gelebtes Leben entsteht.

KÖNNEN SIE SCHON KONKRETE PROJEKTE NENNEN?

Die nächsten Haushaltsverhandlungen beginnen in 2017. Da ist dann wieder die Chance, die Maßnahmen finanziell besser auszustatten. Und auch in den Koalitionsverhandlungen muss es eine Rolle spielen, dass wir die Bedeutung dieser Programme betonen und ganz klar sagen, dass mehr passieren muss. Das Entscheidende aber ist, dieses auch finanziell zu unterlegen. Darum wird es 2017 gehen und ich habe den Anspruch, dass es in diesem Programm analog zum bereits deutlich aufgestockten Programm gegen Rechts auch vorangeht.

„Zwischen SPD und CDU gibt es ein unterschiedliches Weltbild.“

WIRD DAS MIT EINEM LINKEN ODER GRÜNEN KOALITIONSPARTNER EINFACHER, ODER WEITER MIT DER CDU?

Ich glaube, dass so etwas mit einem linken oder grünen Partner besser geht. (lacht) Das habe ich auch sehr deutlich gemacht bei der Diskussion über die Gleichstellung der Ehe für alle. Da gibt es tatsächlich zwischen der SPD und der CDU ein unterschiedliches Weltbild, wie man mit solchen Themen umgeht.

Foto: SPD Berlin

SAGEN SIE SICH MANCHMAL, DAS WÄRE MIR IN EINER ANDEREN KONSTELLATION LIEBER GEWESEN?

Na ja, es ist ja kein Wunschkonzert. Koalitionen werden nicht zum Wohlfühlen gemacht. Man muss schauen, was das Wahlergebnis hergibt, 2011 wäre es mit den Grünen sehr knapp gewesen und es gab auch Differenzen. Und es war auch nicht alles schlecht in der Großen Koalition: zum Beispiel der Konsolidierungskurs und die Stärkung des Wissenschafts- und Wirtschaftsstandortes. Aber gerade in den angesprochenen Themen merkt man doch kulturelle Unterschiede. Das macht Regierungsarbeit schwer und zäh, und gerade hier hätte ich mir mehr gewünscht.

WIE SEHEN SIE WIRTSCHAFTLICHE ENTWICKLUNG BERLINS?

Wir sind auf einem guten Weg. Im letzten Jahr sind, wie schon in den Jahren zuvor, 40.000 weitere Menschen nach Berlin gezogen. Gleichzeitig sind allein 2015 54.000 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstanden. Die Arbeitslosigkeit ist in den letzten Jahren halbiert worden. Das ist gut. Die besondere Stärke, warum uns diese Trendumkehr gelungen ist, liegt im wissenschaftlichen Umfeld. Es kommen viele Unternehmen in die Stadt. Zum einen, weil Berlin beliebt ist und kulturell eine großartige Vielfalt bietet, vor allem aber, weil hier alle wissenschaftlichen Institutionen sind. Es gibt hier einfach ein tolles Umfeld, um kreative Köpfe und Start-ups in die Stadt zu holen. Und das kann in den nächsten Jahren noch mehr werden.

Es kommt auf die Politik an, aber es kommt auch auf jeden einzelnen an!“

HABEN SIE NOCH EIN THEMA, DAS IHNEN ZUM SCHLUSS DES GESPRÄCHS AUF DEM HERZEN LIEGT?

Ich hoffe, dass sich alle engagieren. Ich will das deutlich sagen: Wenn wir über AfD, über Diskriminierung und Ausgrenzung reden, dann ist das nicht gottgegeben, sondern man kann dagegen halten. Man kann wählen gehen, eine demokratische Partei wählen und man kann sich engagieren gegen Rechts, gegen die AfD, gegen Diskriminierung. Es kommt auf die Politik an, aber es kommt auch auf jeden einzelnen an!

•Interview: Christian Knuth

www.michael-mueller.de

Back to topbutton