TeenSTAR an deutschen Schulen?

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TeenSTAR ist ein vorallem in Österreich aktiver christlicher Verein, der Aufklärungskurse an Schulen anbietet. Homosexualität wurde dabei laut Medienberichten auch schon als Idenditätsproblem mit therapiebedarf dargestellt. blu fragte bei den zuständigen 16 Landesministerien bzw. Behörden nach.

Foto: Falter

In Österreich wurde Anfang April nach langem Hin und Her eine Empfehlung gegen TeenSTAR an Schulen ausgesprochen, im letzten Jahr hatte das Magazin Falter interne Schulungsunterlagen veröffentlicht, die ein mittelalterliches Sexualmoral- und Geschlechterrollenverständnis des Vereins offenbarten. TeenSTAR behauptete, die Unterlagen seien veraltete Materialien und legte saubere, neue vor. Der zuständige Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) kündigte für die Zukunft ein Akkreditierungsverfahren für alle sexualpädagogischen Vereine an Schulen an.

Wie sieht es in Deutschland aus?

Auch in Deutschland ist TeenSTAR aktiv, die Deutsche Bischofkonferenz macht auf ihrer Webseite Werbung für TeenSTAR. Der Verein wird auch von der Offensive Junge Christen (OJC) unterstützt und hat Verbindungen zur sogenannten „Demo für Alle“ um Hedwig von Beverfoerde. Das fand auch der LSVD Sachsen heraus und veröffentlichte anlässlich der Tatsache, dass TeenStar dort an zwei Schulen tätitig war, eine Mitteilung, in der es heißt:

 „Eine ultrakonservative Sexualmoral ... hat an sächsischen Schulen nichts zu suchen. Die sächsische Landesregierung hat dafür zu sorgen, dass TeenSTAR der Zugang zu Bildungseinrichtungen verwehrt wird und Lehrkräfte wie Verwaltung vor diesen Angeboten gewarnt werden.“

blu recherchiert dazu seit der ersten Falter-Veröffentlichung und stellte den zuständigen Kultusministerien der Bundesländer folgende Fragen:

  1. In welchen Schulen des Landes sind Ihrer Kenntnis nach Kurse von TeenSTAR angeboten worden?
  2. Gab es seitens Ihres Hauses bereits einen Ausstausch mit TeenSTAR? Wenn ja, welcher Art?
  3. Auf welcher Grundlage werden Entscheidungen für oder Gegen eine Zusammenarbeit zwischen Schulen und nichtstaatlichen Vereinen in sensiblen Bereichen wie der Sexualaufklärung getroffen?
  4. Welche Möglichkeiten erwägen Sie, um eine den Bildungszielen von Toleranz und Akzeptanz widersprechende Tätigkeit durch TeenSTAR zu unterbinden?

Fazit vorab: Aus den bisherigen Antworten ist zu ersehen, dass in den meisten Bundesländern eine begrüßenswert hohe Sensibilität gegenüber einer vielfältigen Sexualerziehung und gegen indoktrinatorische Tendenzen vorherrscht.


Baden-Württemberg: „Uns sind keine Kurse von Teenstar an unseren Schulen bekannt, und das Kultusministerium steht auch nicht im Austausch mit diesem Projekt.“


Bayern:


Berlin:

  1. Es liegen uns keine Erkenntnisse zu Aktivitäten von TeenSTAR an Berliner Schulen vor.
  2. Es gab keinen Austausch mit TeenSTAR.
  3. Grundsätzlich können Schulen Anbieter im Bereich Sexualerziehung eigenverantwortlich beauftragen. Die Beauftragung wird vom Senat nicht erfasst. Schulen handeln im Sinn der definierten Bildungs- und Erziehungsaufgaben. Bildungsziele im Bereich der Sexualerziehung sind für die Berliner Schulen Bildung zur Akzeptanz von Vielfalt sowie Sexualerziehung/Bildung für sexuelle Selbstbestimmung. Die Verbreitung von „homophoben Lehren“ ist damit nicht zu vereinbaren. Berliner  Lehrerkräfte sind ausdrücklich dazu aufgerufen, konsequent gegen homophobe und transphobe Äußerungen und derartiges Verhalten vorzugehen und dieses innerhalb und außerhalb des Unterrichts zu thematisieren. Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt soll im Unterricht an geeigneten Stellen thematisiert werden um Vorurteile und Stereotypen abzubauen, aber auch Wissen zu vermitteln. Mehr dazu können Sie u.a. hier nachlesen. Rechtliche Grundlagen: Die Öffnung der Schulen für Kooperationen ist in § 5 Absatz 1 und 2 Schulgesetz verankert. Der Rahmenlehrplan, hier der Abschnitt „Allgemeine Hinweise zu den Rahmenplänen für Unterricht und Erziehung in der Berliner Schule A V 27: Sexualerziehung“, ermöglicht die Zusammenarbeit mit Beratungsstellen und Selbsthilfeorganisationen. Die Form der Beteiligung wird von den Schulen eigenverantwortlich bestimmt. Gemäß § 12 Absatz 4 SchulG sind Sexualerziehung und Bildung für sexuelle Selbstbestimmung übergreifende Bildungs- und Erziehungsaufgaben, die als Querschnittsaufgaben in den Fächern, fachübergreifend, in Lernbereichen und im Rahmen spezifischer Angebote und Projekte der Schule berücksichtigt werden. Des Weiteren gelten der Rahmenlehrplan der Jahrgangsstufen 1 bis 10 Berlin Brandenburg sowie die „Allgemeinen Hinweise zu den Rahmenlehrplänen für Unterricht und Erziehung in der Berliner Schule - A V 27: Sexualerziehung“. Insgesamt verfolgt Berlin seit Langem und sehr bestimmt eine Politik, die für sexuelle Vielfalt und gegen Diskriminierung eintritt. Das Abgeordnetenhaus hat bereits 2009 die Initiative für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt beschlossen, gefolgt von einem umfangreichen Maßnahmenpaket. Letzteres sieht auch viele Punkte im Bereich Bildung vor.  
  4. Da TeenSTAR bisher in Berlin nicht in Erscheinung getreten ist, stellt sich die Frage aktuell nicht. Aber, wie gesagt: Die Verbreitung von homophoben Lehren ist mit den Bildungszielen der Berliner Schule nicht vereinbar.

Brandenburg: „Das Projekt ist uns nicht bekannt.“


Hessen:

„„TeenStar“ ist im Hessischen Kultusministerium bislang nicht bekannt gewesen und unseres Wissens in Hessen bislang auch nicht in Erscheinung getreten.

Völlig ausschließen könnten wir dies aber nur durch eine Abfrage an allen rund 1.800 Schulen in Hessen; darauf würde wir im Moment verzichten, da es mit einem größeren Aufwand verbunden wäre. Im aktuell noch gültigen Koalitionsvertrag von CDU und Grünen haben sich die Regierungsparteien auf die Förderung der „SchLAu“-Projekte verständigt, die entsprechend auch an hessischen Schulen tätig sind. Dies steht so auch im Hessischen Aktionsplan für Akzeptanz und Vielfalt. Die Förderung von Akzeptanz für die Vielfalt geschlechtlicher Identitäten und sexueller Orientierungen ist 2016 im neuen Lehrplan Sexualerziehung verankert worden. Inhalte, mit denen Initiativen an hessischen Schulen auftreten möchten, müssen sich selbstverständlich auf der Grundlage von den in Hessen geltenden Bildungsstandards, Kerncurricula und Lehrplänen bewegen. Dies scheint bei dem erwähnten Projekt „TeenStar“ nicht der Fall zu sein."


Mecklenburg-Vorpommern: „Im Schulinformations- und Planungssystem Mecklenburg-Vorpommern liegen zum Projekt „TeenSTAR“ keine Daten vor. Auch unsere Schulaufsicht verfügt nicht über entsprechende Daten."


Nordrhein-Westfalen: „Das Projekt „Teenstar“ ist dem Schulministerium nicht bekannt. Grundsätzlich gilt: Die Schulen in Nordrhein-Westfalen erteilen den Unterricht auf der Grundlage staatlicher Richtlinien und Lehrpläne. Für Schulbücher gibt es ein staatliches Zulassungsverfahren. Wenn die Schulen darüber hinaus ergänzende Unterrichtsmaterialien einsetzen oder mit außerschulischen Partnern kooperieren, müssen sie stets prüfen, ob dieses Vorgehen geeignet ist, die Unterrichtsvorgaben umzusetzen. Die Richtlinien für die Sexualerziehung finden Sie HIER. Die Richtlinien geben eindeutig vor, dass Respekt und Toleranz gegenüber verschiedenen sexuellen Orientierungen ein zentrales Ziel der schulischen Sexualerziehung ist. Für Herabsetzung und Missachtung gibt es keinen Platz."


Rheinland Pfalz: „Nach Rücksprache mit unserer Fachabteilung sowie der Landeszentrale für gesundheitliche Aufklärung kann ich Ihnen mitteilen, dass beide Häuser nicht mit TeenSTAR zusammenarbeiten und es auch keinen Austausch gab. Ebenso haben wir keine Kenntnis darüber, dass TeenSTAR an Schulen unseres Landes aktiv ist.“


Saarland:

  1. Das Ministerium hat keine Kenntnis darüber, ob den Schulen des Landes Kurse von TeenSTAR angeboten worden sind.
  2. TeenSTAR war bisher der Fachebene im Ministerium nicht bekannt. Ein Austausch mit Verantwortlichen für TeenSTAR besteht nicht.
  3. Grundsätzlich gehört es zur Pädagogischen Freiheit einer Lehrkraft, zu entscheiden, welche Materialien sie einsetzt oder welche externen Experten oder Organisationen in den Unterricht einbezogen werden. Dabei ist die Lehrkraft an die jeweiligen rechtlichen Regelungen gebunden. Im Bereich der Sexualerziehung geben insbesondere die „Richtlinien zur Sexualerziehung an den Schulen des Saarlandes“ den Rahmen vor, in dem schulische Sexualerziehung stattzufinden hat. Davon erfasst ist auch die Einbeziehung von schulfremden in den Unterricht.
  4. Die o.g. Richtlinien enthalten bindende und eindeutige Vorgaben, wonach Sexualerziehung u.a. dazu beitragen soll, zur Achtung der Würde und Eigenart des Mitmenschen, zur Toleranz, Akzeptanz und gegenseitigen Rücksichtnahme zu erziehen. Als Hilfe bei der Umsetzung werden im Anhang der Richtlinien Inhalte für die verschiedenen Jahrgangsstufen, Quellen für weitergehende Informationen und für den Bezug von Materialien sowie auch Kontaktdaten von Institutionen mit sexualpädagogischen Angeboten für die Einbeziehung in den Unterricht angegeben. Insofern sind die  Richtlinien geeignet, eine präventive Wirkung zu entfalten im Hinblick auf jedwede externen Einflüsse, die im Widerspruch zum Geist und den Vorgaben der Richtlinien stehen.

Das Ministerium geht davon aus, dass Schulen und Lehrkräfte auch bei der Planung und Umsetzung von Maßnahmen zur Sexualerziehung die rechtlichen Vorgaben beachten.


Sachsen: „Die Schule arbeitet eigenverantwortlich auf der Grundlage der Erziehungs- und Bildungsvorgaben und beachtet dabei § 36 SchulG (Familien- und Sexualerziehung). Schulische Familien- und Sexualerziehung trägt zu einer selbstbestimmten und verantwortungsbewussten Lebensgestaltung bei, befähigt die Heranwachsenden, die eigene Sexualität anzunehmen und zwischenmenschliche Beziehungen positiv zu gestalten. Sie ist auf ein werteorientiertes Leben in Partnerschaften gerichtet, die von gegenseitiger Achtung und gegebenenfalls gemeinsamer Sorge für die in der Familie lebenden Kinder getragen werden. Auch wenn der Unterricht durch gegenseitigen Respekt vor kulturell bedingten Meinungsverschiedenheiten geprägt sein soll, fußt er auf den im Grundgesetz und in der Verfassung des Freistaates Sachsen verankerten Grundwerten unserer Gesellschaft. Dabei ist insbesondere die Bedeutung von Ehe, eingetragenen Lebenspartnerschaften und Familie für Staat und Gesellschaft zu vermitteln. Der aktualisierte Orientierungsrahmen (siehe beigefügter Link) bietet die Basis, um Aspekte der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt angemessen zu thematisieren. Vorrangiges Ziel ist es dabei, Benachteiligung und Ausgrenzung wegen geschlechtlicher oder sexueller Orientierung vorzubeugen und die geschlechtliche und sexuelle Vielfalt zu tolerieren bzw. zu akzeptieren. Die Einbeziehung von externen Partnern und worauf insbesondere zu achten ist, ist Gegenstand des Punktes 3.5 des unten beigefügten Orientierungsrahmens. In Vorbereitungsgesprächen ist sicherzustellen, dass außerschulische Fachkräfte Grundsätze schulischer Familien- und Sexualerziehung kennen und respektieren. Wenn Schulen Familien- und Sexualerziehung zum Gegenstand ihrer schulprogrammatischen Arbeit machen und diese in der Schulkonferenz thematisieren, werden die Interessen von Eltern aufgegriffen."

laut Recherche des LSVD Sachsen ist TeenStar in Sachsen an mindestens zwei Schulen aktiv, die Partei DIE LINKE hat eine Kleine Anfrage an die Regierung gestellt.


Sachsen-Anhalt:

  1. TeenSTAR ist im Ministerium für Bildung und im Landesschulamt Sachsen-Anhalt bislang nicht bekannt und nach hiesigem Wissensstand in Schulen des Landes bisher auch nicht in Erscheinung getreten. Allerdings erfolgte keine Abfrage aller ca. 1000 Schulen des Landes, insoweit ist die Frage nicht abschließend zu beantworten.  
  2. Regelungen dazu gibt es in einem definierten Rechts- und Handlungsrahmen: §§1, 38 Schulgesetz, Erlass zur Sexualerziehung an Schulen, Lehrpläne, Aktionsprogramm zur Akzeptanz von Lesben, Schwulen, trans- und intersexuellen Menschen (LSBTTI) 
  3. Schulen und Lehrkräfte sind innerhalb dieses Rahmens für Gestaltung der schulischen Angebote unter Einbeziehung von außerschulischen Partnern eigenverantwortlich. Dies sichert eine möglichst zielgenaue und klientelbezogene Gestaltung der sexualpädagogischen Inhalte vor Ort. 
  4. Präventiv wurde das Landesschulamt darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen einer Kooperation mit Schulen im Sinne unseres schulgesetzlichen Bildungs- und Erziehungsauftrages bei dem Projekt „TeenStar“ nicht gegeben sind. Eine anlassbezogene Information der Schulen ist damit gesichert.

Schleswig-Holstein: „Sexualkunde ist in Schleswig-Holstein Teil des Unterrichts in HWS (Grundschule) bzw. Biologie (Sek 1 und 2) und entsprechend in den Fachanforderungen verankert. Den Unterricht erteilen Lehrkräfte, die in ihrer Verantwortung ggf. auch Gespräche mit nichtstaatlichen Organisationen in ihre Unterrichtsgestaltung integrieren können. Grundlage bleiben immer das Schulgesetz (§ 4 Bildungsziele) und die Fachanforderungen. Eine Erteilung von Unterricht durch Vereine gibt es nicht. Denkbar wären allenfalls. Nachmittagsangebote in Kooperation mit einem Verein; das Ministeriums hat indes keine Kenntnis davon, dass es Kooperationen mit diesem konkreten Verein gibt. Kontakte des Ministeriums mit Teenstar sind nicht bekannt. Insofern wird derzeit in dieser Hinsicht kein Handlungsbedarf gesehen."


Thüringen: „Im Oktober 2016 gab es eine Kleine Anfrage im Thüringer Landtag zum Thema „Sexualerziehung durch Externe an Thüringer Schulen“. Die Beantwortung der Anfrage lege ich Ihnen bei. Wie Sie sehen, ist die Zahl von Projekten mit externen Partnern sehr übersichtlich und das von Ihnen benannte Projekt ist nicht dabei. Nach meiner Kenntnis gibt es dazu auch keinen neuen Stand."


Wir aktualisieren den Artikel um die fehlenden Antworten er Stadtstaaten Bremen und Hamburg sowie des Bundeslandes Niedersachsens in Kürze.

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