#HomoBrauchtKeineHeilung • Warum ein Film Wunder wirken kann

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Foto: Annett Audehm

Am Montag lud ein Bündnis aus Queeraktiven in das Cinestar/IMAX am Potsdamer Platz in Berlin. Rund 300 Menschen folgten der Einladung und durften neben dem Film „Der verlorene Sohn“ eine spannende Talkrunde zum Thema Konversionsverfahren verfolgen. 

Der Fim

Ein Film, der schon im Vorfeld viel Aufsehen erregte. Das Aufsehen ist berechtigt: Der Streifen bietet sogar noch mehr Einblick in homophobe Strukturen kleinerer konservativer Gesellschaften, als man sich das im Vorfeld erhofft hatte. Grob erzählt geht es um einen Teenager, Sohn eines freikirchlichen Pfarrers im ländlich strukturierten sogenannten Bibel-Gürtel der USA. Er ist schwul, hadert aber selbst aufgrund seines Glaubens mit der Sexualität und stimmt deswegen überzeugt zu, in ein „Umpolungs-Camp“ zu gehen und sich „heilen“ zu lassen. Grandios sind die Schauspielleistungen aller Beteiligten von Troye Sivan (Leidensgenosse im Camp) über Russel Crowe (der Vater) und Lucas Hedges (der Sohn) bis hin zu einer absolut überzeugenden und zu Tränen rührenden Mutter Nicole Kidman. Und mehr, als „geht da rein!“ sagen wir an dieser Stelle nicht, verweisen aber auf unser ausführliches Interview mit Regisseur Joel Edgerton für Hintergrundinfos zur Produktion und Motivation des Films: Hier lesen!

Die Gesellschaft als Konversions-Camp

Foto: Annett Audehm

Ja, es gibt sie wirklich. In den USA nicht zu knapp, in Deutschland in abgewandelter Form ähnlich. Einrichtungen, die Homosexualität aberziehen wollen, sogenannte Konversionsverfahren anbieten. Hierzulande sind Szenen, in denen Exorzismen mit Bibelschlägen vollzogen werden wohl eher seltener, was bei der Veranstaltung, die unter anderem von ENOUGH is ENOUGH! organisiert wurde, von einem deutschen ehemaligen Teilnehmer mehrerer Kurse auch berichtet wurde.


Foto: Annett Audehm

Für katastrophale Auswirkungen auf die Psyche junger Menschen, braucht es aber gar keine Schläge mit einer Bibel. Es reicht schon, wenn ein Pubertierender in seinen Zweifeln bestätigt wird nicht normal zu sein, oder schlimmer noch: diese erst durch falsch verstandene oder absichtlich unterdrückend formulierte Glaubensdogmata ausgelöst werden. Man muss sich nur Reden aus dem Umfeld der Bildungsplangegner der „Demo für alle“ und Hedwig von Beverfoerdes anhören, wenn sie über Genderideologie und Frühsexualisierung sprechen: Das was sie Homosexuellen unterstellen, die ideologische Beeinflussung von Kindern, betreiben sie hochprofessionell selbst – mit Kindern und Erwachsenen. Denn Angsterkrankungen wie Homophobie können, anders als Homosexualität, durchaus erlernte Verhaltensstörungen sein. 

Dabei spielt Religion als Deckmantel von Homo- und Transphobie, aber auch für Abwertung ganz anderer Minderheiten, nur eine zwar häufige, aber nebengeordnete Rolle: sogar ganz ohne Religion können Familie und Dorf- oder Vereinsgesellschaft durch stetige Abwertung „anormalen“ Verhaltens schwere psychische Leiden bis hin zu Selbstmordgedanken hervorrufen. Bei Lesben und Schwulen liegt die Wahrscheinlichkeit Suizidgedanken zu entwickeln um ein vielfaches höher, als bei jeweils gleichaltrigen Heterosexuellen. 

Ein Verbot wird das Treiben nicht beenden, aber wirken

Foto: Annett Audehm

Mit im Panel der Diskussion am Montag saß mit dem Botschafter der Republik Malta Albert Friggieri ein Vertreter des europäischen europäischen Landes, das als einziges und seit 2013 auf Erfahrungen mit einem Verbot der Konversionsverfahren zurückblicken kann. Friggieri berichtete denn auch, dass ein solches Verbot alleine keine Homoheilungsversuche unterbinde und sich gerade wegen der in Gemeinden und Vereinen versteckten Durchführung auch schlecht kontrollieren bzw. vor Gericht beweisen lasse. Wichtig sei aber der gesellschaftliche Wandel, der durch ein solches Verbot eintrete. Es wird öffentlich über die Thematik diskutiert und – ganz wie im Film – werden sich Anwender*innen des begangenen oder durchlittenen Unrechtes diesem erst dadurch bewusst. Erst in der vergangenen Woche hatte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) angekündigt, zusammen mit Justizministerin Katarina Barley (SPD) ein gesetzliches Verbot durchsetzen zu wollen. (blu berichtete)

Konversionsverfahren sind keine Therapie

Foto: Annett Audehm

Eine der perfidesten Maschen, die Befürworter von die sexuelle Orientierung verändern wollenden Maßnahmen anwenden, ist der Bezug auf psychische Probleme Betroffener. Panel-Teilnehmerin Dr. Lieselotte Mahler von der Charité wies vehement darauf hin, dass man bei Konversionsverfahren keinesfalls von Therapien sprechen solle. Die Einordnung in medizinische Therapien sei falsch und unwissenschaftlich, denn es gebe keine medizinische Therapie, die Einfluß auf sexuelle Orientierungen hätte. Vielmehr müsse es darum gehen, die Gründe für Unzufriedenheit mit der eigenen Sexualität herauszufinden. Womit sich der Kreis zu einem abwertend homophoben Umfeld schließt.

„Der verlorene Sohn“ erzählt diese Geschichte eindrücklich und leicht auf die eigene Lebens- und eventuell Leidensgeschichte adaptierbar. Mütter und Väter, Freunde und Geschwister werden durch die wahre Geschichte von Jared und seiner Familie vielleicht genau so aufgerüttelt, wie ...*  im Film. Noch einmal: Geht da rein. 

Eine aktuelle Petition zur Einführung eines gesetzlichen Verbotes von Konversionsverfahren kann HIER unterzeichnet werden.


*das spoilern wir hier nicht. 

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