Werben um queere Wähler? Die Laschet-Lüge zur Ehe für alle

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Pinkwashing, lückenhaftes Gedächtnis oder unglückliche Wortwahl? Kanzlerkandidat Laschet dehnte den Wahrheitsbegriff diese Woche sehr stark: Er behauptete, wäre er 2017 im Bundestag stimmberechtigt gewesen, hätte er für die Ehe für alle gestimmt. Aber das Internet vergisst nie – prompt hagelte es Gegenbeweise, der Kanzlerkandidat wurde der Lüge bezichtigt. Inzwischen nahm Laschet dazu Stellung.

Donnerstag, 9. September 2021 – 16 Tage vor der Bundestagswahl: In der Wahl-Sendung Klartext im ZDF wurde Kanzlerkandidat Armin Laschet zu seiner Position zur Ehe für alle gefragt, die 2017 vom Bundestag in namentlicher Abstimmung beschlossen und anschließend vom Bundesrat bestätigt wurde. Laschet, der damals nicht an der Abstimmung beteiligt war, antwortete auf die Frage, Merkels Entscheidung, dagegen zustimmen, sei zwar respektabel, aber...:

„Ich hätte dafür gestimmt.“

Foto: Christian Knuth

Seine Antwort löste in sozialen Medien Tumult aus. Zahlreiche Nutzer warfen Laschet eine Verdrehung der Tatsachen, Opportunismus und Pinkwashing vor. Das Nachrichtenportal queer.de bezichtigte den Politiker der Lüge und führte als Beweis ein Spiegel-Interview an, in dem Laschet eine Woche nach der Abstimmung im Jahr 2017 antwortete:

„Ich bin dafür, jegliche Diskriminierungen von Menschen abzubauen, die andere Lebensformen als die Ehe bevorzugen. Aber dem Antrag der SPD hätte ich wie Merkel nicht zugestimmt, weil er auch verfassungsrechtlich nicht in Ordnung ist.“

Und nicht nur das: FDP-Vorsitzender Christian Lindner tweete Anfang Juli 2017, dass NRW sich bei der Abstimmung des Bundesrates enthalten müsse – da Armin Laschet gegen die Ehe für alle sei. Laschet sitzt in seiner Funktion des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit drei CDU-Kollegen und zwei FDP-Kollegen der Landesregierung im Bundesrat. Die Abstimmung im Bundesrat war allerdings eher symbolischer Natur, nachdem der Bundestag das Gesetz bereits verabschiedet hatte.


Laschet zum Trotz: Ehe für alle nicht verfassungswidrig

Laschet behauptete 2017, die Ehe-Öffnung für gleichgeschlechtliche Paare sei verfassungswidrig, denn das Grundgesetz definiere die Ehe als Verbindung von Mann und Frau – eine Unwahrheit. Unterstützung kam aus Bayern – vor allem die CSU erwog gegen die Eheöffnung vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Sie beauftragte zwei Gutachten – eines verfassungsrechtlich, eines rechtsvergleichend. Die verfassungsrechtliche Expertise des beauftragten Professors kam Anfang 2018 zu der Schlussfolgerung, dass der Gesetzgeber die Ehe öffnen könne, ohne gegen Art. 6 Abs. 1 GG zu verstoßen. Die CSU sah daraufhin von weiteren Schritten ab. Im genannten Artikel 6 des Grundgesetzes heißt es, ohne das Geschlecht von Ehepartner*innen oder Eltern zu definieren: 

„Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.“


Erklärung – oder Ausrede?

Im Interview mit der Zeitung Tagesspiegel ruderte Armin Laschet am Freitag zurück. Er habe sich in der Sendung missverständlich ausgedrückt, so der 60-Jährige. Er erklärte, seine Meinung habe sich geändert – wäre die Abstimmung heute, so würde er für die Eheöffnung stimmen. In den letzten vier Jahren sei deutlich geworden, dass die juristischen Bedenken weniger Gewicht hätten „als der gesellschaftliche Frieden und der Respekt, den die Ehe für alle gebracht hat“, so Laschet. Aber er bestätigte, was das Internet bereits bewiesen hatte – 2017 hätte er mit 'Nein' votiert.

„Damals hätte ich so gehandelt wie Angela Merkel: Sie hat den Weg freigemacht, aber bei der Abstimmung ihre Bedenken berücksichtigt.“

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