Lieber schwerer Covid-Verlauf oder HIV? Schon wieder CCR5!

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Foto: Franck Bessiere / Hans Lucas via AFP

#Zugegeben, deine Antwort auf die Frage ist irrelevant. Zwar bedingen sich beide Möglichkeiten laut Max-Planck-Institut auf molekularer Ebene signifikant, nur kann sich niemand seine Gene aussuchen. Um 27 Prozent verringert eine Covid-19-Risikogenvariante das Risiko einer HIV-Infektion. Umgekehrt wird die betreffende Genvariante nicht nur als eine Risikovariante für schwere Verläufe von Covid-19 bezeichnet, sondern gilt als die wichtigste. 

Vom Neandertaler geerbt

Die Genvariante, die bei heute lebenden Menschen erstaunlich häufig vorkomme, verringere das Risiko einer HIV-Infektion um 27 Prozent, berichtete das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig am Montag. Neben Risikofaktoren wie einem fortgeschrittenen Alter und chronischen Krankheiten, zum Beispiel Diabetes, kann auch das genetisches Erbe das individuelle Risiko für eine schwere Corona-Erkrankung erhöhen oder verringern. Im Jahr 2020 zeigten Hugo Zeberg vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie und vom Karolinska Institutet sowie Svante Pääbo, ebenfalls vom Leipziger Max-Planck-Institut, dass der wichtigste genetische Risikofaktor für einen schweren Covid-19-Verlauf Teil des menschlichen Neandertalererbes ist. 

Grafik: Science Photo Library / Juan Gaertner / AFP

Covid-19-Risikovariante schützt vor HIV

Im vergangenen Jahr untersuchte das Forscherduo dieselbe Genvariante im Erbgut prähistorischer Menschen und stellte fest, dass sie seit Ende der letzten Eiszeit deutlich häufiger vorkommt. Es liegt deshalb nahe, dass sie in der Vergangenheit größtenteils vorteilhaft für ihre Träger gewesen ist. Die Neandertaler-Variante befindet sich in einer Region auf Chromosom drei, wo sich außerdem mehrere Gene befinden, die mit Rezeptoren im Immunsystem in Verbindung stehen.

Ein alter Bekannter: CCR5

Einen dieser Rezeptoren – CCR5 – nutzen die meisten HI-Viren, um weiße Blutkörperchen zu infizieren. CCR5 ist in der HIV-Community seit der Markteinführung des Wirkstoffes Maraviroc in der antiretrovirale Therapie (ART) im Jahr 2007 ein Begriff. Der Wirkstoff blockiert CCR5 und trägt damit dazu bei, die Weitervermehrung von HIV im Körper zu verhindern.

Foto: Thomas Splettstoesser (www.scistyle.com) / CC BY-SA 4.0 / wikimedia.org

Spätestens seitdem weltweit an genetischen Verfahren zur HIV-Heilung gearbeitet wird, steht CCR5 sogar im Fokus vieler Forschungsprojekte. Während in Deutschland an einer CCR5-Genschere geforscht wird (hinnerk berichtete), ist 2018 in China angeblich ein Tabu gebrochen worden: Das erste Mal sei demnach das Erbgut zweier Zwillinge per Genschere so verändert worden, dass diese ohne CCR5-Rezeptoren – und damit quasi immun gegen eine HIV-Infektion – auf die Welt gekommen seien (männer* berichtete). Wie es den beiden Kindern in der Corona-Pandemie ergangen ist, ist nicht bekannt. Bekannt ist außerdem, dass Menschen mit speziellen CCR5-Mutationen eine geringere Lebenserwartung haben und sich leichter mit dem Westnil-Virus infizieren, wie das Magazin HIV 2019 berichtete. Dazu gesellt sich also jetzt also auch noch Covid. 

Ursache ungeklärt

Hugo Zeberg fand heraus, dass Menschen mit einer ererbten Covid-19-Risikovariante weniger CCR5-Rezeptoren haben. Bei der Analyse von Patientendaten aus drei großen Biobanken zeigte sich, dass Träger der Covid-19-Risikovariante ein um 27 Prozent geringeres Risiko für eine HIV-Infektion aufweisen. 

„Diese Gen-Variante zu besitzen, kann für den Träger sowohl gut als auch schlecht sein: schlecht, wenn er sich mit COVID-19 infiziert, gut, wenn die Gefahr einer HIV-Infektion besteht und ein gewisser Schutz gegen dieses Virus vorhanden ist.“ 

Hugo Zeberg, Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie

Da HIV jedoch erst im 20. Jahrhundert aufkam, kann die Schutzwirkung vor dieser Infektionskrankheit nicht erklären, warum die Covid-19-Risikovariante bereits vor 10.000 Jahren beim Menschen so stark verbreitet war. Möglicherweise war es der Schutz vor einer anderen Krankheit, der nach der letzten Eiszeit zur starken Verbreitung dieser speziellen Genvariante beigetragen hat, so die Vermutung der Forscher. Sie ist naheliegend, betrachtet man die verhältnismäßig umfangreichen Erkenntnisse, die sich in kurzer Zeit im Zusammenhang mit CCR5 angesammelt haben. *AFP/hex/cha/ck

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