INTERVIEW • WASH WESTMORELAND: "ES GAB KEINEN ZWEIFEL"

© Polyband/24 Bilder

Regisseur Wash Westmoreland und sein an ALS erkrankter Lebensgefährte Richard Glatzer haben mit „Still Alice“ einen der besten Filme des Jahres inszeniert. Ihre Hauptdarstellerin Julianne Moore wird für die Darstellung einer Literaturprofessorin, die mit Anfang Fünfzig an Alzheimer erkrankt, als sichere Oscar-Gewinnerin 2015 gehandelt. Ein Gespräch über schwere Stunden, glückliche Zufälle und die schwule Porno-Variante des amerikanischen Traums.

WASH, IHR LEBENSGEFÄHRTE RICHARD, MIT DEM SIE SEIT „THE FLUFFER“ ALLE SPIELFILME GEMEINSAM INSZENIEREN, IST VOR EINIGER ZEIT AN ALS ERKRANKT. HATTEN SIE BEDENKEN, MIT „STILL ALICE“ EINEN FILM ÜBER EINE ANDERE UNHEILBARE KRANKHEIT ZU DREHEN?

Natürlich haben wir am Anfang gezögert. Als man uns das Projekt zum ersten Mal vorschlug, war Richards Diagnose gerade einmal ein paar Monate her. 2011 war kein einfaches Jahr für uns. Aber dann lasen wir das Buch, auf dem „Still Alice“ basiert. Und auf der letzten Seite des Romans von Lisa Genova war die Sache für uns geritzt.

TATSÄCHLICH?

Ja, da gab es keine Zweifel. Richard war mit dem Lesen ein bisschen früher fertig, und normalerweise ist er alles andere als eine Heulsuse. Doch da liefen ihm die Tränen nur so die Wangen herunter. Da wusste ich, dass kein Weg daran vorbeiführt, dass wir diesen Film drehen werden. Er war wie ein Geschenk.

WIE IST ES, ALS PAAR GEMEINSAM EINEN FILM ZU INSZENIEREN?

Ich war schon immer derjenige war, der mehr die Kommunikation mit dem Team und den Schauspielern übernommen hat, während er mehr der Planer war. Seit er nicht mehr sprechen kann und nur noch über das Sprachprogramm seines iPads kommuniziert, hat sich diese Verteilung weiter verstärkt. Trotzdem war er jeden Tag am Set; wir haben weiterhin alle Entscheidungen gemeinsam getroffen. Ich glaube, dass es gerade bei der Geschichte von „Still Alice“ für alle Beteiligten etwas sehr Besonderes war zu sehen, dass er sich von seiner unheilbaren Krankheit nicht aufhalten lässt.

EINIGE PASSAGEN AUS TONY KUSHNERS AIDS-DRAMA „ANGELS IN AMERICA“ SPIELEN IN „STILL ALICE“ EINE ZENTRALE ROLLE.

Im Roman wird nie konkretisiert, um welches Stück es geht, aber wir mussten das natürlich. „Angels in America“ erschien uns thematisch geradezu ideal, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass wir die Rechte daran bekommen würden. Doch dann schrieb unsere Produzentin eine Email direkt an Kushner und seine Antwort kam prompt: er würde sich geehrt fühlen, wenn wir seine Worte für unseren Film verwenden.

HAT SEIN STÜCK EINE PERSÖNLICHE BEDEUTUNG FÜR SIE?

Vielleicht nicht mehr als für viele andere Schwule auch. Wer mit tödlichen Krankheiten zu tun hat, kann gar nicht anders, als sich davon berühren zu lassen. Denn Kushners Geschichte findet in dem Thema eine ungeahnte Erhabenheit.

IHREM FILM VERLEIHT VOR ALLEM JULIANNE MOORE ERHABENHEIT...

Unser Glück war es, dass wir gut mit Todd Haynes befreundet sind, mit dem sie schon so oft zusammengearbeitet hat. Richard hatte sie vor vielen Jahren sogar mal bei einem gemeinsamen Dinner kennengelernt. Außerdem hatten wir sie für einen anderen Film schon mal ganz offiziell getroffen und daher noch ihre Emailadresse. Tatsächlich machte sie sich die Mühe, die Romanvorlage zu lesen noch bevor wir ihr überhaupt das Drehbuch zukommen ließen. Ich habe nicht die geringste Ahnung, was wir gemacht hätten, wenn sie nein gesagt hätte. Denn jemand anderen als sie kann ich mir in der Rolle einfach nicht vorstellen.

WAR ES JE EIN PROBLEM, IN IHRER KARRIERE, DASS SIE FRÜHER AUCH SCHWULENPORNOS INSZENIERT HABEN?

Interessanterweise nicht. Dass jemand wie ich heute einen Oscar-nominierten Film mit Julianne Moore drehen kann, ist für die meisten scheinbar eher eine neue und moderne Variante des klassischen amerikanischen Traums. Jeder kann dort alles erreichen, auch ein schwuler Sexfilmer aus England.

•Interview: Jonathan Fink

Kinostart: 5. März

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