Die Schöne und das Biest – der Gay-Appeal

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Gibt es wirklich einen schwulen Charakter in Disney's Musical-Neuverfilmung? Der Film hat jedenfalls für schwule Männer noch eine Menge mehr zu bieten …

Foto: Disney

Bevor wir die Frage klären, ob es wirklich – wie in den vergangenen Tagen in der Presse kolportiert – einen „exklusiv schwulen“ Charakter in diesem Disney-Film gibt, schauen wir einmal zurück darauf, wie der originale Zeichentrickfilm zustande kam.

Diese Geschichte beginnt mit Howard Ashman. Der kongeniale Texter, der einer der Hauptverantwortlichen für die sogenannte Disney-Renaissance war, als er mit seiner Arbeit an Arielle die Meerjungfrau dazu beitrug, das erste Disney-Märchen nach 30 Jahren auf die Leinwand zu bringen, wurde 1988 als HIV-positiv diagnostiziert. Trotz beginnender gesundheitlicher Probleme arbeitete er mit Komponist Howard Ashman weiter an Disney's Aladdin und übernahm, nachdem er sich zunächst geweigert hatte, auch die Arbeit an der strauchelnden Produktion von Die Schöne und das Biest und hauchte ihr mit seinen Texten und Anregungen neues Leben ein. Dabei schrieb er aus seinem tiefsten Innern heraus. Den Fluch, der den Prinzen in ein Biest verwandelt hatte, sah er als Sinnbild für seine Krankheit und die Erlösung von dem Fluch am Ende des Films stand für ihn für eine wundersame Heilung, die ihm selbst leider nicht beschieden war. AIDS war in den frühen 1990ern noch ein faktisches Todesurteil und Howard Ashman starb am 14. März 1991 im Alter von nur 40 Jahren, wenige Monate vor Veröffentlichung des Films. Seinen posthumen Oscar für das Lied „Beauty and the Beast“ nahm 1992 dann sein Lebensgefährte Bill Launch für ihn entgegen.

In der Neuverfilmung von 2017 wurden einige vom Howard Ashmans Textzeilen, die es nicht in den Zeichentrickfilm geschafft hatten, wieder in die Lieder „Gaston“ und „Beauty and the Beast“ eingefügt.

Zwei schwule Hauptdarsteller ...

Schauspieler und LGBTI*-Aktivist Sir Ian McKellen (Der Herr der Ringe, X-Men, Mr. Holmes) spricht in der Neuverfilmung den Haus- und Hofmeister Cogsworth (Herr von Unruh), der in seiner verfluchten Gestalt als kleine Stehuhr stets bemüht ist, das Haus in Ordnung zu halten und dabei manchmal über das Ziel hinausschießt.

Foto: Disney

Ein weiterer Quell des Gay-Appeals ist natürlich auch Luke Evans (Furious 7, Dracula Untold) – der öffentlich zwar kein Hehl aus seiner Homosexualität macht, aber nicht sonderlich gerne darüber spricht –, welcher den selbstverliebten Frauenschwarm Gaston spielt. Gaston in einen „echten Menschen“ zu verwandeln muss eine der schwersten Aufgaben für die Produzenten gewesen sein, denn ein derart comichafter Charakter wie Gaston wirkt in einer Realverfilmung schnell im wahrsten Sinne flach. Aber seine neue Back-Story steht Gaston gut zu Gesicht und erlaubt es Luke Evans, alle Facetten seines schauspielerischen Könnens zu zeigen.

… und ein (wahrscheinlich) schwuler Charakter

Kommen wir schließlich zu LeFou, dessen Hauptaufgabe im Animationsfilm darin besteht, ständig eine auf den Deckel zu bekommen. In der Neuverfilmung ist LeFou mehr als nur ein Prügelknabe. Bei Gastons bewunderndem Sidekick ist es oft der Interpretation des Zuschauers überlassen, ob das was er für Gaston empfindet pure Bewunderung ist, oder ob er tatsächlich zärtere Gefühle für den Muskelmann hegt. Und tatsächlich spricht einiges für die letztere Theorie, besonders wenn man mit dieser Erwartungshaltung in die Vorstellung geht. Es gibt Andeutungen, Ausdrucksweisen und Körpersprache, die wenn schon nicht eindeutig, so doch relativ deutlich sind. Von einem „exklusiv schwulen Charakter“ zu sprechen ist dennoch wohl etwas sensationsheischend ausgedrückt. Und dass der Film in Russland unter das „Anti-Gay-Propaganda-Gesetz“ fallen soll, ist – so es denn wahr ist – zumindest eine gnadenlose Überreaktion.

Foto: Disney

Foto: Disney

Foto: Disney

Die neue Charakterisierung des LeFou ist zweifellos eine Bereicherung für den Film. Josh Gad (der in der Originalfassung von Frozen/Die Eiskönigin dem Schneemann Olaf seine Stimme lieh) ist ein Quell der Freude und eine der Figuren, die dem Film die Selbstironie verleihen, die für ein Projekt dieser Art nötig ist.

Das rettende Augenzwinkern

Diese immer mal wieder eingestreute Selbstironie ist es auch, die die Neuverfilmung von Die Schöne und das Biest so liebenswert macht. Der Film nimmt sich bei aller Perfektion nicht so bierernst, sondern erzählt seine Geschichte mit einem Augenzwinkern, das der Dramatik keinen Abbruch tut, aber das es dem Zuschauer erlaubt, über kleine Holprigkeiten die manchmal etwas „cheesy“ wirken, hinwegzusehen. Zitate aus dem Originalfilm sind manchmal ganz bewusst ironisch, viele neue Gags sind anachronistisch-modern, man vergisst bei allen Gänsehaut- und Gefühlstränenmomenten nie, dass der Film in Wirklichkeit einfach unterhalten möchte.

Dass er dabei auch noch ein ausgesprochen zeitgemäßes Frauen- und Menschenbild transportiert (wozu die sagenhafte Emma Watson in nicht unerheblichem Maße beiträgt), und den Zuschauer an das Gute und die Liebe im Menschen glauben lässt, ist wohl dem Quäntchen Disney-Magie zu verdanken, die dem Film in jeder Minute innewohnt. Es gibt übrigens fast schon epische 129 davon, diese ganzen Quäntchen läppern sich also ganz schön.  

Fazit: Wer von dem Film keine 1:1-Kopie des Animationsfilms erwartet und sich auf die Neuinterpretation einlässt, wird sicher nicht enttäuscht. Der Streifen wird es bestimmt nicht jedem recht machen können, aber Die Schöne und das Biest ist ein wundervoll erzähltes Märchen, das sich neben dem Kultfilm von 1991 nicht verstecken muss. Im Gegenteil: irgendwie bekommt man Lust, beide Filme nochmal anzusehen.

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