Conrad Artworx im Chat

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Der 1968 geborene Künstler Conrad Artworx beschäftigt sich in seiner farbstarken Kunst mit der emotionalen Ambivalenz menschlichen Daseins jenseits der Kategorien von Gut und Böse. Sie pendeln bipolar zwischen den leuchtenden Farben des Tages und der dunklen Faszination der Nacht. Teilweise in bewusster Kontrastierung der verschiedenen Pole, teilweise in subversiven Zwischentönen. Studiert hat der Post-Punker und Nu Waver Kunstgeschichte und Politologie in Berlin: Es geht ihm also auch um Inhalte. Ich wurde auf ihn bei einer Vernissage im Berliner Trend- und Problembezirk Neukölln im Café Selig aufmerksam.

DEINE KUNST WIRKT SEHR RELIGIÖS MOTIVIERT. WIE RELIGIÖS BIST DU?

Ich bin seit vielen Jahren an Religion und Spiritualität interessiert und halte mich durchaus für gläubig. Allerdings nicht in einem klassisch dogmatischen Sinne. Meine Mutter ist katholisch, mein Vater protestantisch. Mein Onkel war Sannyasin bei dem indischen Guru Osho. Bei uns hat die Konfession keine Rolle gespielt und der Umgang mit dem Thema Reli-gion war sehr tolerant.

Als Maler reizt mich die starke Symbol-kraft religiöser Darstellungen und Erzählungen. Ich unterscheide zwischen der Institution Kirche, die man durchaus kritisch sehen kann, und dem persönlichen Glauben. Glaube ist für mich etwas Privates. Jeder muss selbst herausfinden, ob er ihn bereichert oder in seiner persönlichen Entwicklung beschränkt.

Als Maler reizt mich die starke Symbol-kraft religiöser Darstellungen und Erzählungen. Aber ich habe auch gute Freunde, die Religion komplett ablehnen oder denen der Glaube schlicht gleichgültig ist.

DU HAST IN PUNK-BANDS GESUNGEN ... IMMER NOCH?

Musik ist nach wie vor eine große Leidenschaft von mir. Gerade habe ich wieder begonnen, ein paar Songs zu schreiben, aber ich sehe das inzwischen nur noch als Hobby.

Ich lasse gerne Bands auf meinen Ausstellungen auftreten, und manchmal gebe ich dann selbst eine kleine musikalische Performance. Es ist mir ein großes Anliegen, Musik und Malerei in Kontakt treten zu lassen, denn Musik hatte schon immer einen sehr starken Einfluss auf meine Kunst.

Bands wie Soft Cell, Depeche Mode oder Nick Cave haben religiöse Themen und die Fragen nach Schuld, Sühne und Erlösung besungen. Allerdings gepaart mit androgyner, doppeldeutiger Sexualität und inspiriert von der rebellischen Energie des Punk.

Als junger Mensch konnte ich mich mit diesen Texten stärker identifizieren als mit den Predigten in der Kirche.

So haben meine religiösen Darstellungen einen subkulturellen Touch und eine androgyne Prägung erhalten.

WIE ENGAGIERST DU DICH POLITISCH?

Ich habe ja Politologie studiert und bin immer noch ein sehr politischer Mensch, auch wenn viele meiner Bilder eher introspektiv sind. Gute Kunst ist für mich grundsätzlich politisch, sofern sie sich von der reinen Dekoration absetzt und die Menschen zum Nachdenken über sich selbst sowie über gesellschaftliche Entwicklungen anregt.

Ich beteilige mich regelmäßig an Demonstrationen gegen Rechts, soziale Missstände und Intoleranz. Zuletzt habe ich mich bei Aktionen der Occupy-Bewegung engagiert und unterstütze auf Facebook die Initiative Free Pussy Riot. Einem Kapitalismus, der wirtschaftliche Interessen vor menschliche Bedürfnisse stellt, stehe ich zunehmend kritisch gegenüber. Ich plane diesbezüglich für das nächste Jahr eine Ausstellung mit dem Arbeitstitel Traders from Hell.

UND WIE BEURTEILST DU DIE WICHTIG-KEIT VON FACEBOOK FÜR EINEN KÜNSTLER?

Facebook habe ich lange Zeit abgelehnt. Ich halte die umfassende Sammlung persönlicher Daten für fragwürdig, weil sie der Vision des gläsernen Menschen Vorschub leistet, was mir Angst macht.

Für mich als Maler ist Facebook inzwischen dennoch wichtig, weil es die Kontaktaufnahme mit anderen Künstlern und Künstlerinnen sowie Kunstinteressierten, bzw. die Vernetzung untereinander, wesentlich vereinfacht. Es bietet mir die Möglichkeit, viele ganz unterschiedliche Leute an meiner Arbeit teilhaben zu lassen. Ich versuche mich hierbei möglichst auf die künstlerische Ebene zu beschränken und allzu Privates rauszuhalten.

WAS IST DIR BEI EINEM BILD WICHTIG?

Ein gutes Bild muss mich berühren. Egal auf welche Weise. Wichtig ist mir deshalb, die Menschen auf einem sehr unmittelbaren Wege anzusprechen. Ich mag keine Kunst, die allzu konstruiert und kopflastig erscheinen möchte, sondern ich verarbeite meist authentische Erfahrungswerte. Ich möchte die Energie zum Betrachter transportieren, die ich selbst beim Malen empfinde, und so einen direkten und persönlichen Zugang zu meiner Malerei zu schaffen. Nichts finde ich ärgerlicher als Kunst, die den Betrachter langweilt.

Die Grundaussage sollte deshalb stark sein und neugierig machen. Diese vertiefe ich durch universelle Symbolik und die Intensität der Farbkomposition. So versuche ich, bei den Betrachtern tieferliegende Gefühlswelten zu aktivieren und Raum für eigene Assoziationen zu schaffen. Ähnlich wie gute Musik dies beim Hörer vermag.

HAST DU ANGST, FALSCH VERSTANDEN ZU WERDEN?

Die Gefahr besteht durchaus, aber damit muss man als Künstler leben. Schließlich spielt meine Malerei sowohl mit religiöser Thematik als auch mit Tod und Erotik, die teilweise den Bereich des Fetischs streift. Die Leute reagieren darauf entweder neugierig oder es tun sich Widerstände auf, weil ihnen die Bereitschaft fehlt, sich mit diesen Bereichen undogmatisch und offen auseinanderzusetzen. Meine Kunst will dazu herausfordern, allerdings weder in einem pornografischen noch in einem blasphemischen Sinne. Mit meiner Malerei möchte ich die Themen entkrampfen und zu gegenseitiger Toleranz auffordern.

Meine Erfahrung zeigt mir, dass hieraus oftmals sehr interessante, intime Gespräche resultieren können und Missverständnisse ausgeräumt werden. Ich persönlich mag Kunst, an der man sich erfreuen, aber auch reiben kann.

WELCHES MOTIV MALST DU AM LIEBSTEN?

Hmmm ... mein Lieblingsmotiv ist wohl charismatischer Außenseiter, umgeben von einem Nimbus der Einzigartigkeit. Kraftvoll und zentral im Bildmittelpunkt positioniert, aber genau dadurch auch isoliert und verwundet. Ich male gerne bewaffnete Engel, die beschützen und gleichzeitig verletzen können. Frauenfiguren zwischen Liebe, Erotik und Aggressivität. Ich mag es, wenn Düsternis auf Elemente des Kitsches trifft und die Aussagen doppeldeutig werden. Auch Sonne und Mond spielen als Vertreter dieser beiden Pole eine wesentliche Rolle.

WIE STEHST DU ZUR KLASSISCHEN IKONENKUNST?

Ich war immer fasziniert von der Aussagekraft sakraler Malerei und der Ikonenkunst. Schon als Kind in der Kirche. Mein Schutzheiliger ist Georg der Drachentöter, von dem ich etliche Ikonen besitze. Mit der klassischen Ikonenkunst bin ich zunächst auf Reisen in Berührung gekommen, die ich in meiner Jugend mit meinen Eltern in katholische und orthodoxe Länder unternommen habe.

Später hat sich das dann vermischt mit meiner Liebe zu expressionistischen Künstlern und den Fauvisten sowie mit meinen Erfahrungen im Wave-Gothic-Bereich. Im Laufe der Jahre habe ich so zu einem eigenen besonderen Stil gefunden. Ich bin kein Traditionalist und halte mich nicht an die strengen (Herstellungs-)Kriterien der Ikonenkunst. Es geht mir darum, die klassische religiöse Kunst in moderne Zeiten zu transferieren und von tradierten Dogmen zu befreien. Meine Malerei ist interkulturell und überkonfessionell ausgerichtet, denn der verbindende und für mich wichtigste Punkt in allen Religionen ist die Liebe.



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