INTERVIEW: Max Diel „Die kleinen Details machen das Werk“

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Nachdem sich der 1971 in Freiburg geborene Max Diel zuletzt vor allem der abstrakten Malerei gewidmet hatte, setzt er nun Gegenständliches um. Zum Beispiel Postkarten, die er aber nicht einfach abmalt, sondern sie werden mit inneren Bildern, Erfahrungen und Erinnerungen zusammen- und dann ins Ganze gebracht.

Auf den ersten Blick wirken die Bilder des Künstlers ungeordnet, die Farben konkurrieren, man springt beim Betrachten von einem starken Motiv zum nächsten. Dann entdeckt man den großen Zusammenhang, wird vom Bild gefangen genommen. Nicht nur das Motiv ist wichtig, sondern auch die Spuren der Herstellung. Die Oberfläche der Bilder ist bei vielen Werken nicht glatt, sie wirkt oft abgekratzt und überpinselt. Die Beschaffenheit der Bildoberfläche spielt bei diesen Bildern eine zentrale Rolle! Sie unterstreicht die perspektivische Mehrfachbrechung seiner Bilder, in denen die figurative Malerei mit der freien eine kraftvolle Verbindung eingeht. Das Ergebnis ist nicht glatt, sondern emotionsgeladen und bis Mitte Juni in der Galerie Lehr Zeitgenössische Kunst zu sehen. 

WIE ENTSTEHT EIN MAX-DIEL-BILD?

Das Thema Bild im Bild spielt bei mir oft eine Rolle. Ich fange für mich spannende Momente mit meiner Digitalkamera ein. Das können Bauarbeiter oder auch bemalte Mauern sein. Oft entdecke ich Bilder in Büchern oder auf Ausstellungen, die mich inspirieren. Dann beginne ich, die Motive miteinander zu verbinden. Bei dem Bild hier handelt es sich um eine Fotografie aus dem Ersten Weltkrieg: zwei Männer, die ein Flugzeug mit einem Camouflage-Muster bemalen. Eine skurrile Situation, der Krieg als ernste und blutige Situation, und das scheinbar farbenfrohe Muster, das aufgetragen wird. Zuerst hatte ich die Idee, dass sie bei mir ein Jasper-Johns-Muster auftragen, das war der erste Entwurf. Der Titel Dancers on a plane blieb, auch wenn der zweite Entwurf nun das Rennen gemacht hat.

Bild: Max Diel „Ecorché“

INSPIRIEREN DICH ANDERE KÜNSTLER?

Ja, sogar sehr. Jasper Johns peilte immer den Zwischenbereich an. Er, Mitbegründer der Pop-Art, führte den Gegenstand wieder in die Kunst ein. Damals, zurzeit der Moderne, war sich das Bild ja als Bild genug, es musste bzw. durfte nicht mehr etwas abbilden. Das Bild steht in der abstrakten Kunst ja für sich: What you see is what you see. Lustigerweise hieß Johns Bild, eine Variation des Tarnmusters, Dancers on a Plane, wie jetzt mein Bild der malenden Arbeiter ... Zeitgenössische Künstler auch ich spielen mit Bildzitaten. Man sampelt quasi und schafft etwas Neues. So nehme ich Motive zum Anlass, ein Bild zu malen. Jasper Johns, der mich zu dem Bild mit dem Doppeldecker, meiner Version von Dancers on a Plane inspiriert hat, arbeitete übrigens auch viel mit Zitaten. Zum Beispiel zitierte er Edvard Munch: Between the Clock and the Bed, das Muster der Bettdecke wurde bei Johns zu einem Bild gleichen Namens.

NICHT ALLE DEINE BILDER HABEN EINE ZERSTÖRTE OBERFLÄCHE ...

Gut, das ändert sich. Nicht immer entstehen Arbeitsspuren, es gibt auch glatte Bilder. (grinst) Man kann allgemein sagen, dass meine Bilder farbenfroher geworden sind, von der Oberfläche her glatter. Sie sind nicht mehr so morbid. Es gibt sie aber noch, die Bilder, die so richtig durchgewalkt sind. Das, was entstehen will, entsteht. Das Bild, das entsteht, ist die Folge einer Handlung. Ich habe nicht die Absicht, die Oberfläche zu zerstören!

WANN IST EIN BILD DENN FERTIG?

Wenn das Bild es mir sagt. Das spürt man einfach.

DER LAIE KÖNNTE DEINE KUNST MIT DER VON NORBERT BISKY VERGLEICHEN.

Nein, Bisky ist etwas vollkommen anderes. In der zeitgenössischen Kunst sind es gerade die kleinen Details, die das Werk ausmachen. Bisky sucht die Provokation, den Tabubruch ... ich bin viel introvertierter, melancholischer ... suche eher das Geheimnis und die zufällige Begegnung von Inhalten. Zudem steht bei mir der malerische Diskurs im Vordergrund. Aber ein Laie, der einfach nur das Bild sieht ... hm ... ja, kann ich ein bisschen nachvollziehen. Bisky würde bei mir aber sicher auch fremdeln!

DIE BERÜCHTIGTE FRAGE: HABEN DEINE BILDER EINE BOTSCHAFT?

Bilder mit direkter Botschaft finde ich eher schwierig. Es gibt politische Kunst, etwa Ai Weiwei, das hat natürlich total seine Berechtigung. Ich habe sehr große Bewunderung für ihn als Menschen. Ich selbst will keine Botschaft, ich will ein Wirkungsfeld. Ich will nicht belehren und will selbst auch nicht belehrt werden.

*Interview: Michael Rädel

WWW.MAXDIEL.DE

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