The Bill Bernstein Photographs ★ Nicky Siano

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Die Orte, an denen Nicky Siano, jener Musikfreak aus New York, aufgelegt hat, dürften in Deutschland besser bekannt sein als sein Name: The Gallery, Studio 54 und das Limelight.

Nicky Sianos Karriere am Plattenteller begann 1971, und schon ein Jahr später, mit 17 Jahren, eröffnete er seinen ersten eigenen Klub: The Gallery. Das Genie am Plattenteller, wie er fortan u. a. von der New York Daily News bezeichnet wurde, schuf mit seinem Klub eine Plattform für jene Musik, die ab 1974 die Welt erobern würde: Disco.

Nicky mischte, und das war damals eine Weltneuheit, groovige Soulplatten und instrumentale Funktracks ineinander. Discolegenden wie Grace Jones („La vie en rose“, „Do or Die“ ...), Divine und Loleatta Holloway („Ride on Time“ mit Black Box, „Hit & Run“, „Dreaming“, „Relight My Fire“ mit Dan Hartman) hatten hier ihre ersten Auftritte, bevor sie als Aushängeschilder des neuen New York die Welt eroberten. The Gallery war ein Schmelztigel für Schwule, Transen, Schwarze und Tanzwütige. Ständig wechselnde Dekorationen und spätere Weltklassekünstler wie Frankie Knuckles (u. a. er erfand später House) waren der Nährboden für seine Legende. 1977 eröffnete das Studio 54, was zwar größer als The Gallery, aber letztendlich nicht so wichtig für Disco war (wenn auch die dortigen Exzesse, die letztendlich zu seiner Schließung in den 1980er führten, unerreicht sind). Im Zuge der Aids-Krise zog sich Nicky aus dem Nachtleben 1984 zurück und engagierte sich in der Aids-Hilfe. Erst 1998 stand er wieder an den Plattentellern, und das schlug wieder solche Wellen, sodass er seitdem die Klubs von Kopenhagen bis Sydney und London mit Discofunk versorgt. 2003 wagte er eine Tour in Australien und füllte sage und schreibe 6 Stadien (!) mit Discowütigen. Rekord!


Ende September ist Nicky Siano – im Rahmen der „The Bill Bernstein Photographs“-Ausstellung – in Berlin zu Gast. www.billbernstein.com


WAR ES 1971 SCHWER, EINE PARTY ZU VERANSTALTEN, WO SICH SCHWULE UND HETEROS TREFFEN?

Damals gab es verdammt viele Vorurteile, vor allem in den ärmeren Stadtteilen, wie Queens, Brooklyn und der Bronx. Was wir taten, war, dass wir nicht auf die Hautfarbe, die Religion oder die sexuellen Vorlieben der Menschen, die zu uns kamen, achteten. Die völlig neue Musik brachte alle zusammen, denn damals hatte man nicht so viel Auswahl ...

WAR DISCO WICHTIG FÜR DIE SCHWULENBEWEGUNG?

Absolut. Es war das Ding, das den ganzen Aufstand (---> Christopher-Street-Day) hervorbrachte. Damals war es ILLEGAL, dass ein Mann mit einem Mann tanzt.

GIBT ES UNTERSCHIEDE IM VERHALTEN DER

KLUBBESUCHER DAMALS UND HEUTE?

Damals war das etwas völlig Neues. Man hörte Soul/Disco zu Hause, und plötzlich gab es einen Ort, an dem man diese Musik richtig laut hören konnte. Die Leute schrien und schrien mehr, tanzten mehr und wurden schließlich besessen ...

VON 1984 – 1998 HATTES DU DICH VOM LEBEN ALS DJ ZURÜCKGEZOGEN, WARUM?

Das hat eine Menge mit der Arbeit an meinem Karma zu tun ... Ich bin so lange geblieben, wie ich gebraucht wurde ..., das Universum hat mich geleitet.

DU HAST DICH SEHR IM KAMPF GEGEN AIDS ENGAGIERT. WIE IST DIE ENTWICKLUNG DA?

Die Art, wie man mit Aidskranken umgeht, hat sich geändert. Ich kann mich noch daran erinnern, wie Krankenschwestern ganz in Schutzanzügen die Patienten behandelten. Was mir Sorgen macht, ist, dass Leute denken, dass es dagegen inzwischen eine Medizin gibt. Dem ist nicht so!

*Interview: Michael Rädel


26.9.: The Bill Bernstein Photographs NYC 1977 to 1979: DISCO, 18 – 20 Uhr: Galerie für Moderne Fotografie, Schröderstraße 13/II, 20 Uhr: Monkey Bar, Hotel Bikini Berlin, Budapester Straße 38 – 50, Berlin, www.facebook.com/nickysianodj


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