Wolfgang Müller, Buchautor, Musiker, bildender Künstler und Schauspieler

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blu bringt dir die Szene und ihre Macher näher. Diesen Monat: Wolfgang Müller, seines Zeichens Buchautor, Musiker, bildender Künstler und Schauspieler.

DU BIST SEIT ANFANG DER 1980ER IN BERLIN UMTRIEBIG UND HATTEST AUCH SCHON EINE GALERIE. ABER STUDIERT HAST DU URSPRÜNGLICH VISUELLE KOMMUNIKATION/GRAFIK-DESIGN.

Ja, es war damals im Designbereich viel leichter als in jedem anderen Bereich, eine Studienzulassung zu bekommen – zumal ich als Schulversager aus dem Gymnasium geworfen wurde und überhaupt keinen Abschluss hatte. In den 1980ern wollten alle kreativen jungen Leute Kunst studieren, nur wenige jedoch Grafik-Design. Heute ist es genau umgekehrt. Aus dem Design kommen inzwischen oft kreativere Ideen als aus der Kunst selbst. Die meiste Kunst ist dagegen zum Design geworden, aber leider zu einem öden Design, das auf Effekthascherei basiert und sehr einfältig ist.

FÜR ALLE JÜNGEREN LESER: WAS WAR (ODER IST) DIE TÖDLICHE DORIS?

Die Band habe ich 1980 mit meinem Kommilitonen Nikolaus Utermöhlen gegründet. Da die Westberliner Galerieszene ultraspießig war und – genau wie in Ostberlin – die Kulturfunktionäre nur figürliche Malerei akzeptierten, entschieden wir, unsere künstlerischen Konzepte mit Musik umzusetzen. Die subkulturelle Punkszene fanden wir sowieso viel interessanter und lebendiger. Statt Farbe, Papier oder Holz zu formen, setzen wir Klang, Töne, Rhythmus, Bewegung und Zeit als künstlerisches Material ein. Geräusche und Töne sind außerdem preiswert und viel einfacher zu transportieren als Leinwände, Rahmen und Bronzeskulpturen. Wenn Kunst wirklich Qualitäten hat, spielt es nämlich gar keine Rolle, aus welchem Material sie gemacht ist. Auf jeden Fall war das Konzept erfolgreich: 1987 wurde Die Tödliche Doris zur documenta 8 eingeladen, spielte im Museum of Modern Art in New York, in Warschau, Budapest und Tokio. Gleichzeitig war 1987 meine Studentenzeit zu Ende, ich bekam meinen ersten Schulabschluss als „Meisterschüler“ – was auch immer das bedeutet. Auf jeden Fall musste ich diese Urkunde beim Antritt meiner Professur für „Experimentelle Plastik“ 2001 an der HFBK in Hamburg vorweisen.

UND HAST DU DENN EINEN LIEBLINGSKIEZ IN BERLIN?

Dadurch, dass die Mauer 1989 fiel – sie stand in Sichtweite meiner Wohnung –, wohnte ich als alter Kreuzberger plötzlich ganz nah in Friedrichshain und Mitte. Das war ein Umzug ohne Umzuziehen. Doch frische Luft tut auch sehr gut, deshalb bin ich 1990 zum ersten Mal nach Island gereist, wo ich mich seitdem jedes Jahr für einige Wochen oder Monate aufhalte. Dort heißt die Entsprechung zu meinem Lieblingskiez „SO36“ einfach „Reykjavík 101“.

•Interview: Michael Rädel  

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