Philippe Jaroussky im Gespräch

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Der französische Countertenor Philippe Jaroussky gehört weltweit zu den gefragtesten Sängern seines Stimmfachs. Seine Darbietung in einer Monteverdi-Oper an der Staatsoper Unter den Linden Berlin fand 2004 großen Zuspruch beim Publikum. Der talentierte Sänger, der mit Leichtigkeit in Sopranlage singt, hat nun ein neues Album herausgebracht. In Zusammenarbeit mit dem Venice Baroque Orchestra und Cecilia Bartoli interpretiert er Arien, die ursprünglich für den Kastraten Farinelli komponiert wurden. 

FARINELLO WAR ZU SEINEN LEBZEITEN EIN STAR. HEUTE BIST DU DER STAR UND HAST EIN ALBUM MIT SEINEN ARIEN AUFGENOMMEN. FARINELLO WAR KASTRAT - DU JA GOTT SEI DANK NICHT. WO LIEGT DER UNTERSCHIED ZWISCHEN EUREN STIMMEN?

Das ist eine sehr interessante Frage, denn es gibt bereits viele Kritiken bezüglich meines neuen Albums. Es gibt einfach einen großen Unterschied zwischen unseren Stimmen und der Gesangstechnik. Um das Repertoire Farinellis zu singen, muss ich beispielsweise viel mehr atmen. Farinelli war einfach beeindruckend. Er konnte zwei Minuten lang singen, ohne zwischenzuatmen. Wenn ich 25 Sekunden singe, sind die Menschen beeindruckt. Doch Farinelli beeindruckte noch viel mehr. Er sang diese unglaublich langen Töne, Crescendo, Decrescendo, noch ein Crescendo und dann noch eine wunderbare Kadenz. Man dachte wohl, er hat keinen Atem mehr. Und dann kam doch noch eine Kadenz. Das kann man sich gar nicht vorstellen.

Lange Zeit, vor allen Dingen zu Beginn meiner Karriere, wollte ich kein Farinelli-Album aufnehmen, denn ich will nicht behaupten, dass ich wie Farinelli singe. Vielen gefällt das Album, aber einige sagen, meine Stimme habe nicht die Qualität der Stimme Farinellis. Und um provokant zu sein, kann ich sagen, dass es stimmt. Farinelli hatte eine sehr beeindruckende Stimme. In einer Oper zum Beispiel sang er eine Arie relativ tief und eine andere Arie in Sopranlage. Viele Leute wissen einfach nicht viel über Kastratenstimmen, denn sie denken, Kastraten konnten nur hoch singen. Aber das stimmt nicht. Wir müssen uns das so vorstellen, dass ein Kastrat in der Mittellage eher wie ein Tenor gesungen hat, mit sehr strahlender Stimme und Brillanz. Deshalb werden Kastratenstimmen oft mit Trompetenklängen verglichen. Kastratenstimmen waren schwer auszubilden. Man begann den Unterricht im Kindesalter, um die Brillanz, den Klang und auch gleichzeitig die Flexibilität der Stimme zu wahren. Letztlich ist ein Kastrat ohne Unterricht keine großartige Sache gewesen, denn es bedarf guten Unterrichts. Um ein guter Sänger zu sein, brauchte man mehr als nur die Operation.

WIE FÜHLT ES SICH AN, IN SOPRANLAGE ZU SINGEN? ES GIBT JA UNTERSCHIEDE ZWISCHEN DEINER SPRECH- UND DEINER GESANGSSTIMME.

Wenn ich wirklich hoch singe, dann ähnelt meine Stimme wohl am meisten der eines Kastraten, als wenn ich in Mittellage singe. Es gehört einfach viel Training dazu, sodass es natürlich wird, in den hohen Lagen zu singen. Man muss das auch lieben und genießen. Für mich ist diese Höhe vielleicht so natürlich, weil ich ursprünglich Violinist bin. Um jeden Abend auf der Bühne die hohen Töne singen zu können, muss man üben, üben, üben. Das ist ein Work-out, wie beim Sport, immer wieder. Dann kann das Ganze eine solide Sache werden. Ich liebe es, aber manchmal ist es natürlich auch schwer. Aber ich will Musik machen und kein Gesangsmonster sein, das nur technisch versiert ist, weshalb auf der CD so viele langsame, berührende Arien zu finden sind. Man kann damit auch viele Aspekte des Wirkens Farinellis zeigen.

WIE SPIEGELT SICH DEIN STIMMFACH IM ROLLENSPEKTRUM WIEDER?

Countertenöre wie ich übernehmen die ehemaligen Kastratenrollen, die heroischen Rollen.

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