Esther Abrami geht ins Kino

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Foto: @estherabramiviolin

Die französische Geigerin Esther Abrami ist ein „Social Media Superstar“ – zumindest wurde sie bei den Global Awards 2019 als erste klassische Musikerin in dieser Kategorie ausgezeichnet. Auf ihrem neuen Album „Cinéma“ (Sony Classical) spielt sie Hits aus Animes, Serien und Kinofilmen und holt ihr junges Publikum dort ab, wo es sich befindet.

„Ich habe mir mein Publikum selbst gesucht“, betont die Geigerin, die seit ihrem vierzehnten Lebensjahr in London lebt. „Ich spiele selten große Geigenkonzerte, sondern lieber kurze Stücke. Und ich bin von japanischen Animes, Hollywood-Serien und aktuellen gesellschaftlichen Debatten beeinflusst und nicht von Mozart und Beethoven.“ Was nicht heißt, dass sie das klassische Repertoire meidet. Auch auf „Cinéma finden sich Stücke von Tschaikowsky und Schostakowitsch sowie Songs, die die Oscar-Gewinnerinnen Anne Dudley und Rachel Portman eigens für Esther Abrami komponiert haben.

Die Aufnahmen zu Cinéma fanden mit dem City of Prague Philharmonic Orchestra unter der Leitung des Dirigenten und Arrangeurs Ben Palmer in den berühmten Smecky Studios in Prag statt, wo schon Komponisten wie Philip Glass und Howard Shore die Soundtracks zu berühmten Filmen aufgenommen haben.

„Ich bin stolz auf mein neues Album“, erzählt Abrami in rasend schnellem Englisch. „Ich wollte eine abwechslungsreiche musikalische Reise zusammenstellen, die meinen klassischen Hintergrund, mein französisch-jüdisches Erbe, meine Unterstützung für Frauen in der Musik und meine Liebe zu Filmen und Animes widerspiegelt und verschiedene Genres, Kulturen und Generationen verbindet. Ich hoffe, dass sich die Zuhörerinnen und Zuhörer genauso in die Musik von ‚Cinéma‘ verlieben wie ich.“

Ein besonderes Kabinettstückchen ist Esther Abrami mit ihrer Fassung von Astor Piazzollas berühmtem „Libertango“ gelungen, und das will schon etwas heißen, denn die legendäre Einspielung von Grace Jones („I’ve Seen That Face Before“) ist ihr durchaus bekannt. Sie spielt den charakteristischen Rhythmus des Songs pizzicato und überlässt ansonsten dem Gitarristen Marcin das Scheinwerferlicht – das Orchester schweigt (genau wie bei dem auf der Loop-Station konstruierten „Comptine d’un Autre Eté, l’après-midi“ aus „Die fabelhafte Welt der Amelie“). Das ist eine so pfiffige Fassung, dass man glatt im Zimmer herumhüpfen möchte, so animierend klingt sie.

„Ich wusste ja, dass es unzählige Einspielungen vom ‚Libertango‘ gibt“, räumt Abrami ein. „Deshalb wollte ich eine Version einspielen, die wirklich völlig anders klingt. Das Arrangement habe ich zusammen mit Marcin erarbeitet, das Pizzicato war meine Idee.“ Esther Abrami lässt die Soundtrack-Klassiker ihrer Generation in neuen Orchesterversionen erstrahlen, die Gleichaltrigen – Abrami ist 26 – zeigen, dass die Computermusik ihres Lieblings-Animes eben auch ganz anders gespielt werden kann. Damit erschließt sie der klassischen Musik ein völlig neues und junges Publikum – etwas, von dem jeder Kulturmanager zwischen Elbphilharmonie und Schloss Elmau träumt. Gleichzeitig merkt man Abrami ihre Leidenschaft für diese Musik an: „Cinéma“ ist keine Idee eines ausgefuchsten Produzenten, mit der ein breites Publikum erobert werden soll, sondern wurde von der Protagonistin ersonnen. Besser geht’s doch eigentlich nicht, oder? *Rolf Thomas

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