Interview mit Giorgio Moroder

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Foto: Sony Music

Charli XCX. Und Kylie Minogue. Und Sia. Und ... Wenn Disco-Revolutionär Giorgio Moroder (er komponierte und produzierte unter anderem die Klassiker „Love to Love You Baby“, „On the Radio“, „I Feel Love“ und „Call Me“) ruft, sagt keiner ab.

Und so versammelt sich auf „Déjà Vu“, seinem ersten Album seit drei Jahrzehnten dann auch das Whos who der Popwelt. Herausgekommen ist ein durchweg stimmiges und ungewöhnliches Disco-Album. Der Munich-Machine-Mastermind hat ganz Recht, wenn er sagt: „74 ist das neue 24! Ich will Spaß!“ 

GIORGIO, ICH HABE MIR DEINEN DJ-GIG VOM ELECTRONIC BEATS-FESTIVAL AUF YOUTUBE ANGESEHEN. DAS IST SCHON LUSTIG, WENN 20-JÄHRIGE KLUBGÄNGER DICH MIT GIORGIO! GIORGIO!-RUFEN ANFEUERN. Das wundert mich auch immer wieder. Sie singen alles mit, dabei waren sie noch nicht mal geboren, als die Songs entstanden sind! Ich kann es mir selbst nicht erklären. Aber es ist schön und berührt mich.

GENIESST DU DEINE SPÄTE KARRIERE ALS DJ? Absolut. Und das Schöne im Vergleich zu DJ-Kollegen wie Tiësto oder David Guetta ist, dass ich auch die älteren Leute anlocke, die mich noch von damals kennen und heute vielleicht 50 oder 60 sind. Ich bin wirklich glücklich. Das neue Leben fängt jetzt erst an. Man sagt ja, 74 ist das neue 24.

NACH WIE VOR SCHEINT DER SCHNAUZBART DEIN MARKENZEICHEN ZU SEIN ... Den werde ich bald wegschneiden! Ich habe ihn ja lange nicht mehr getragen. Aber meine Frau sagte, dass ich mir den zur neuen Platte wieder drauftun muss. Sie ist mein größter Fan, 22 Jahre jünger als ich und hat früher schon zu meiner Musik getanzt. Und sie liebt das heute noch: In Los Angeles, wo wir wohnen, gibt es einen Klub namens Giorgio, den sie regelmäßig besucht.

Foto: M. Rädel

NACH DIR BENANNT? Klar. Und der DJ spielt nur Disco-Musik. Da geht sie mit ihren Freundinnen jeden zweiten Samstag hin.

UND DU GEHST NICHT MIT? Ich war nur ein, zwei Mal dort. Ich muss doch meinen Mythos aufrechterhalten und kann mich nicht so viel zeigen. (lacht) Ich bin auch kein Mann für die Disco. Ich kann nicht tanzen und will auch nicht so recht.

DABEI HAST DU MAL GESAGT, DASS JEDER TANZEN KANN! Das stimmt schon. Wenn man will, kann man nach Disco gut tanzen, aber es überzeugt mich trotzdem nicht, es selber zu tun.

DEIN HIT LOVE TO LOVE YOU BABY VON DONNA SUMMER WURDE ANFANGS PRIMÄR IN DEN SZENEKLUBS GESPIELT. HAST DU DIE DISCO-SONGS MIT DER SCHWULEN-SZENE IM HINTERKOPF GESCHRIEBEN? Nein, ich habe ganz am Anfang gar nicht bemerkt, wie sehr sie darauf abfahren. 1975 ist dann das Lied rausgekommen, und da hat man mir in Amerika gesagt, dass es das Thema in der Lesbenszene ist! Lesbische Frauen sahen es als eine Art musikalisches Manifest der Befreiung. Wenig später kam I Feel Love heraus, und das wurde zur absoluten Hymne in der schwulen Welt.

Foto: Casablanca

WARST DU FRÜHER IN SCHWULEN KLUBS, UM ZU GUCKEN, WAS DEINE MUSIK BEI DEN MENSCHEN AUSLÖST? Ganz zu Beginn habe ich ja noch in München gelebt und gearbeitet. Da war ich ein paar Mal in einem Klub, der hieß East West oder so ähnlich. Dann bin ich nach Amerika gezogen und war eigentlich nur ein Mal im Studio 54 in New York.

WIE WAR DAS? Es war leer! Ich bin gegen 23 Uhr angekommen und eine lange Schlange von Leuten stand vor der Tür. Ich habe meinen Chauffeur gesagt, er solle denen mal Bescheid geben, dass Giorgio Moroder hier ist und gerne rein möchte. Die haben mich natürlich sofort reingelassen. Ich dachte, da wäre der Teufel los. Aber nichts: Da waren drei Hunde, drei Katzen und ein paar Menschen. Es war zu früh, und der Mann an der Tür hat die Leute warten lassen, um den Klub interessant zu machen. Aber im letzten Sommer in Sydney habe ich gemerkt, wie sehr die schwule Welt mich liebt.

WIE DAS? Ich habe in einem Klub aufgelegt, wo das Publikum manchmal nur einen Meter weit weg steht. Da waren zwei sehr gut aussehende Jungs in der ersten Reihe, die mich anhimmelten. Sie schickten mir Luftküsse und I love you-Botschaften mit dem Handy in Richtung Bühne! Ich musste so lachen. Und da habe ich im Spaß gesagt: I love you not. Oooh, hätte ich das bloß nicht getan! Dem einen Jungen kamen echt fast die Tränen! Ich hab ihm dann doch noch meine Liebe beteuert. (lacht)

ICH WEISS, DASS ICH EINEN HIT HABEN WERDE, HAST DU ÜBER DEIN NEUES ALBUM DÉJÀ VU GESAGT. GANZ SCHÖN SELBSTBEWUSST! Ja, sowieso. (lacht) Ich habe ja schon ein paar Hits gehabt. Und mit Sia, Britney, Kylie und Foxes habe ich gute Sängerinnen auf dem Album das ist auch wichtig. Ich hatte drei Angebote von Plattenfirmen und habe mir genau angeschaut, welche Künstler die im Repertoire haben und mich daraufhin für Sony entschieden. In meinem Alter kriegt man nur eine Chance und die muss genutzt werden.

*Interview: Katja Schwemmers

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