#INTERVIEW: Charli XCX: laut und leise

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„Was daran jetzt sexy sein soll, kann ich nicht nachvollziehen“, motzt Charlotte Emma Aitchison aus Cambridge, die sich beruflich Charli XCX nennt und seit dem Welterfolg des von ihr verfassten Icona-Pop-Knallers „I Love It“ zu Beginn der Zehnerjahre ein Popstar ist, wenn man sie auf die erotische Komponente des Covers ihres dritten, schlicht „Charli“ betitelten Albums anspricht.

Sieht man sie dort doch oberhalb der Taille nackt, bekleidet lediglich von einem langen bunten Wurm, der vielleicht auch eine dünne Schlange sein könnte. Allerdings, da muss man der 27-Jährigen beipflichten, blickt sie nicht besonders lasziv auf dem Bild, sondern eher etwas weggetreten oder so, als meditiere sie. „Du und ihr alle haltet das für erotisch, weil der weibliche Körper durch die Medien total sexualisiert wurde“, setzt die erklärte Feministin („Immer mehr Macht in der Musikindustrie liegt in den Händen von Frauen“) ihre Tirade nun fort. „Ich habe einen Körper, du hast einen Körper, meine Mutter hat auch einen Körper.“ Ja, und? „Ich bin doch einfach nur unbekleidet. Wäre ich alt, ein Mann oder hätte mein Körper eine andere Form, würdest du doch auch nicht sagen, dass das sexy aussieht.“ Da mag sie recht haben, aber Kunst ist halt nun einmal frei interpretierbar. Jedenfalls, so Charli, sich selbst wieder einigermaßen im Zaum habend, wollte sie sich auf dem Foto so zeigen, wie sie eben ist: unverstellt und echt. „Mir geht es um Ehrlichkeit und um Wahrheit. Dieses Ziel, aufrichtig zu sein, verfolge ich auch mit meinen neuen Liedern“, beteuert sie. Und besser, man fragt an dieser Stelle jetzt nicht auch noch, warum „Señorita“, der Sommerhit von Camila Cabello und Shawn Mendes, der Handanlegung acht verschiedener Songwriter/-innen bedurfte (von denen sie eine war), wo doch ein Kompositionspraktikant locker genügt hätte.

Aber Widersprüche müssen ja nicht schlecht sein, und deshalb zelebriert die mittlerweile in Los Angeles lebende Charli die ihrigen. „Früher habe ich mich leicht geschämt, Popmusik zu lieben“, sagt sie, „aber da war ich 16 und wollte cool sein. Heute ist mir klar, dass es kaum etwas Cooleres gibt als guten Pop.“ Von dem „Charli“ glücklicherweise voll ist. Vier Jahre sind ins Land gezogen, seit Charlis vorheriger Platte „Sucker“ (mit den Hits „Boom Clap“ und „Break The Rules“), „in dieser Zeit habe ich unglaublich viele Erfahrungen gesammelt und bin gereift.“ Einerseits. „Andererseits wollte ich auch Partysongs auf dem Album haben, die zeigen, wie viel Spaß mir das Leben macht.“ Und so ist „Charli“ ein überzeugender Electro-Synthie-Pop-Spagat aus Abgehnummern wie „Click“ oder „Shake It“, ein bisschen Pop-Nostalgie wie auf „1999“, einem Duett mit Troye Sivan sowie persönlichen Songs wie „Gone“, einer Zusammenarbeit mit Christine and the Queens, die Unsicherheiten, Ängste und Zweifel aufgreift. „In dem Song geht es um das Gefühl, wertlos und einsam im Zimmer zu sitzen. Ich bin recht impulsiv und gehe gerne feiern, das heißt jedoch nicht, dass ich solche Phasen nicht kenne. Und bei Christine ist es ähnlich. Ich liebe sie einfach als Menschen und als Künstlerin, sie inspiriert mich extrem.“ Besonders persönlich wird Charli XCX meist dann, wenn sie den Gang rausnimmt, so wie in „White Mercedes“, der das Hin- und Hergerissen-Sein in einer fünfjährigen On-Off-Beziehung zum Inhalt hat. „Inzwischen sind wir fest zusammen, also war die wacklige Phase nicht umsonst“, so Charli, lächelnd und mit dem Gespräch offenbar versöhnt.

*Interview: Steffen Rüth

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