Interview mit Troye Sivan

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Foto: Hedi Slimane

Ein Mainstreampop-Song über Analsex? „Meine Fresse, was hat das Spaß gemacht, dieses Lied zu schreiben“, sagt Troye Sivan, der übrigens eine verblüffend tief und erwachsen klingende Sprechstimme hat, am anderen Ende der Telefonleitung in Los Angeles. „‚Bloom‘ ist der sexuell eindeutigste Song des Albums, aber ich verkleide die Krassheit in reinen, unschuldigen Sprachbildern. Dazu kommt dann dieser glockenhelle Pop-Sound, der auch auf ein Katy-Perry-Album passen würde. Diese Kombination hat mich wirklich zum Kichern gebracht.“ In seinem Kern sei „Bloom“ außerdem einfach ein Liebeslied, das von „zärtlichem und einvernehmlichem Sex zwischen zwei Jungs handelt“.

„Bloom“ – im Deutschen am besten mit „Erblühen“ zu übersetzen – ist der Titelsong von Troye Sivans zweitem Album. Wer den Pop-Jungen bis dato nicht auf der Rechnung hatte, für den wird es nun wirklich Zeit. In Australien war er schon als Kind dank seiner Teilnahme bei „Star Search“ und einer Rolle in „X-Men Origins: Wolverine“ ein Star, inzwischen begeistert Sivan, der in Perth aufgewachsen ist, mit seinem cleveren Synthie-Electro-Pop auch den Rest der Welt. Im Vergleich zu seinem jugendlich-verträumten Debüt „Blue Neighbourhood“ (2015) klingt Troye auf „Bloom“ klar kerniger. Bei Liedern wie „My My My!“ hat er das Tempo tüchtig angezogen und kommt richtig aus sich raus. „Ich bin extrovertierter und mutiger geworden. In meinen Liedern und auch sonst als Mensch. Bei meinem ersten Album war ich noch vorsichtiger, tastender, ich wusste noch nicht wirklich, wie das alles funktioniert. Jetzt habe ich mich im Studio fokussierter und sicherer gefühlt. Ich wusste genauer, was ich wollte, war kommunikativer und habe sehr viel ausprobiert und auch meine Meinung gesagt. Das Resultat ist leichtfüßiger, lustiger und insgesamt weniger melancholisch als mein erstes Album.“

In Troyes Leben hat sich manches geändert in den vergangenen Jahren. Er ist von Perth nach Los Angeles gezogen, musste Familie und Freunde zurücklassen, was ihm zu Anfang alles andere als leichtgefallen sei. Auch ging seine erste richtige Beziehung in die Brüche, im nachdenklich-akustischen „The Good Side“ versucht er, die Trennung musikalisch zu verarbeiten. Und dennoch: „Heute fühle ich mich ein gutes Stück wohler in meiner Haut. Die meisten Dinge in meinem Leben haben sich positiv verändert. Ich bin weit glücklicher, als ich es als Jugendlicher war. Dieses Gefühl wollte ich auf ‚Bloom‘ betrachten und ausforschen.“ Neu liiert ist er außerdem, mit dem Model Jacob Bixenman („Wir erleben gerade eine Menge schöner Sachen zusammen“) teilt er sich eine Wohnung in LA und einen Tesla, „den ich mir ein bisschen vom Verkäufer habe aufschwatzen lassen“.

Ein weiterer Grund für Sivans Wohlbefinden: Er hat sich locker gemacht. „Ich verbrachte die meiste Zeit meiner Kindheit und meiner Jugend gestresst wegen meiner Sexualität. Und ich wollte Sänger werden und nach Amerika ziehen, die Welt erobern. Ich habe mich selbst krass unter Druck gesetzt.“ Sein Coming-out war dann alles in allem unkompliziert, die Karriere floriert, und mit „Dance To This“ gibt es auf „Bloom“ sogar ein Duett mit Superstar Ariana Grande, einer Freundin von Troye. „Ich hatte so viel Glück, für mich ist nun besonders wichtig, anderen zu helfen. Ich will für die Jugendlichen ein Zufluchtsort sein. Jungen Menschen zu sagen, dass ihr Leben besser wird, ist eine große Antriebskraft für mich.“

Auch „Boy Erased“, der Kinofilm, in dem Sivan ab November zu sehen sein wird, sei ein wichtiges Mittel zur Aufklärung. Der Film handelt von einem schwulen Jungen in Arkansas im erzkonservativen amerikanischen „Bible Belt“, der in einem Jugendcamp eine Therapie machen soll, die ihn von seiner Homosexualität befreit. „Ich spiele einen der Jungs in diesem Camp. Der Gedanke, dass es solche Lager gab und in vielen Ländern immer noch gibt, ist krank und extrem gefährlich. Und ganz bestimmt ist es nicht die richtige Art, damit umzugehen, wenn dein Kind zu dir kommt und sagt, dass es schwul oder lesbisch ist. Mein großer Wunsch ist es, dass so etwas wie ein Coming-out in einigen Jahren gar nicht mehr notwendig sein wird.“

*Steffen Rüth

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