(Queere) Geschichte

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© FOTO: P. BRAUNHOLZ

Christian Setzepfandt ist ein echter Frankfurter Bub: nicht nur, dass er hier geboren wurde, aufwuchs und studierte, als Kunsthistoriker und Stadtführer kennt er die historischen Orte und schönsten Plätze Frankfurts, hat 10 Bücher über Frankfurt veröffentlicht oder an ihnen mitgewirkt, unter anderem drei Bände über viel zu selten beachtete Frankfurter Un-Orte. Er ist darüber hinaus engagiert als Vorstandsmitglied der AIDS-Hilfe Frankfurt und seit 2011 als ehrenamtlicher Stadtrat Mitglied des Frankfurter Magistrats. Beim CSD moderiert er regelmäßig den Polit-Talk auf der CSD-Hauptbühne und hilft im Herbst den Startschuss für den Lauf für mehr Zeit abzufeuern. Puh ganz schön viel Action, Herr Setzepfandt!

WOHER RÜHRT DEINE AKTIVITÄT?

Eigentlich bin ich schon seit meinen Jugendjahren engagierter Frankfurter. Ich war auch immer ein Aktivist was Schwulen- oder Aids-Bewegung angeht. Ich finde, Engagement ist wichtig, weil ich gerne in dieser Stadt lebe. Also kann ich ihr auch was zurückgeben. Und Frankfurt ist mein Beruf geworden.

WELCHE AUFGABEN HAST DU ALS EHRENAMTLICHER STADTRAT?

Ich bringe Themen ein, zu denen ich mich engagieren will. Die Benennung der Straßen nach Lesben und Schwulen ist eine solche Initiative. Oder wenn es um Erinnerung in Frankfurt geht, zum Beispiel mit neuen Tafeln, für das Mahnmal für Homosexuellenverfolgung mehr Informationen zu liefern. Außerdem soll eine Koordinationsstelle innerhalb der Stadtverwaltung für Lesben und Schwule entstehen, die die Funktion eines Switchboards einnehmen soll. Das habe ich von Anfang an zusammen mit dem Team, dass die Stelle ausarbeitet, betreut. Sie startet voraussichtlich im Herbst und soll neben der Schnittstelle zur Stadtverwaltung auch Anlaufstelle für Bürger sein und darüber hinaus Veranstaltungen zu brisanten schwul-lesbischen Themen der Stadt anbieten.

ALS STADTFÜHRER KENNST DU FRANKFURT WIE DEINE WESTENTASCHE. WELCHER ORT IST BESONDERS SPANNEND?

Schwierig. Ich mache ja nicht nur Führungen, die spektakuläre Themen haben. Die Rosemarie Nitribit-Führung lebt natürlich von Sex and Crime. Aber die meisten der Führungen haben kleine Themen. Ein Hinterhof oder ähnliches, diese kleinen Details, die erklären, warum Frankfurt so ist wie es ist.

WIE FINDEST DU SOLCHE ORTE?

Ich bin neugierig! Ich gehe durch die Stadt und frage mich, was sich dort hinter dieser Fassade versteckt. So ergibt oft ein Steinchen das andere, wie bei den Recherchen zum dritten Band der Frankfurter Unorte. Elmar Kraushaar erzählte mir vom schwulen Theaterfestival Stern Zeichen 1982 in ehemaligen TAT. Auch Fassbinder hat da mitgewirkt. Also habe ich weiterrecherchiert und rausgefunden, dass Fassbinder damals eine große Wohnung über dem Comeback hatte. Also, immer neugierig sein, das ist das Motto.

RÜHRT DER ERFOLG DEINER BUCHREIHE FRANKFURTER UNORTE VIELLEICHT AUCH VOM GESTEIGERTEN INTERESSE DER FRANKFURTER AN IHRER STADT?

Auf jeden Fall! Die Idee Frankfurter entdecken ihre Heimat ist viel stärker geworden in den letzten Jahren. Wobei der Begriff Heimat nichts Altmodisches hat, sondern die Menschen wollen ihr Umfeld kennen. Und dann ist es ja auch so, dass Frankfurt eine Stadt ist, die etwa ein Drittel ihrer Bevölkerung innerhalb von 10 Jahren austauscht. Dass heißt, es sind immer wieder neue Leute da, die Frankfurt kennen lernen müssen.

DAS SIND ABER DIEJENIGEN, DIE FRANKFURT LEDIGLICH ALS IHRE ARBEITSSTÄTTE SEHEN

Das weiß ich noch nicht mal so genau. Wenn man sich das Nordend anschaut, ist das doch sehr lebendig. Leider ist Gentrifizierung ein aktuelles Schlagwort. Das betrifft wirklich viele Leute und was da mit den Mietern passiert, finde ich nicht gut. Eine große Angst: kann ich mir die Stadt weiterhin leisten, in der ich so integriert bin? Frankfurt lebt aus seiner Vielschichtigkeit, und nicht von Menschen, die mal hier, mal da, und dann mal dort sind, und denen für eine Weile das Lebensgefühl wichtig ist, aber die tiefere Identifikation fehlt.

MEHR INFOS ÜBER CHRISTIAN SETZEPFANDT ALS STADTFÜHRER ÜBER WWW.KULTOURS.DE

*Interview: Björn Berndt

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