Trans* in Ägypten nicht erwünscht?!

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Fotos: M. Rädel

Dies ist ein Schreiben an das Auswärtige Amt, ein Erlebnisbericht von Valery Maria Lehner (Chantal ) und Andreas Schwarz, von den beiden selbst verfasst.

„In diesem Schreiben möchte wir nach einer schockierenden und demütigen persönlichen Erfahrung am 15.3.2022 am Flughafen Sharm El Sheik dringlichst darauf aufmerksam machen, dass Trans*-Personen und die LGBTIQ*-Community in Ägypten von staatlicher Seite bei der Einreise auch in vermeintlich sichere Urlaubsregionen absoluter Willkür und Repression ausgesetzt sind und nach einem halben Tag Psychoterror die Einreise unter verstörenden Umständen verweigert wird. Ein Kurzkontakt zur Botschaft in Kairo vermittelte uns den Eindruck, dass wir von Glück sprechen dürfen, denn wir hätten in der momentanen Lage auch tatsächlich in einer solchen Situation in einem ägyptischen Gefängnis verschwinden können.

Im Folgenden ein Gedächtnisprotokoll des Erlebten:

Valery Marie Lehner und Andreas Schwarz planten einen Tauchurlaub in Dahab. Die Urlaubsregionen am Roten Meer werden im Allgemeinen noch über die offiziellen Einreisewege als sicher für Touristen annonciert. Bei der Ankunft am Flughafen in Sharm EL Sheikh ereignete sich bei der Passkontrolle eine dramatische und mehrstündige demütigende Prozedur, die schließlich in der Verweigerung der Einreise von Valery Marie Lehner mündete, die als Trans*Mensch in Ägypten nicht erwünscht sei. Nach Abgleich der biometrischen Daten von Valery Maria Lehner in folgendem Valery genannt, wies der kontrollierende Beamte Valery nach ausuferndem Studieren des Reisepasses an, in einem gesondertem Bereich Platz zu nehmen. Mit dem knappen Befehl: WAIT! Er selbst verschwand ohne weitere Erklärung mit ihrem Reisepass. Nach ungefähr einer Stunde ohne irgendeinen Kontakt oder Information entschieden Valery und Andreas, dass Andreas das Gepäck sichern solle, was ja völlig verwaist im nunmehr leeren Flughafen gestrandet sein müsste. Mit dem erfolgreich gesicherten Gepäck konnte er allerdings nicht mehr zurück in den Bereich, in dem Valery immer noch auf irgendeine Information wartete. Allerdings konnte er Sichtkontakt halten.

Nach einer weiteren halben Stunde wurde Valery in ein separates Zimmer geführt. Sie durfte nicht zu ihrem Gepäck und wurde von ihrem Mitreisenden Andreas Schwarz separiert. Hier wurde sie in einer unangenehmen, verhörartigen Situation von drei Beamten immer wieder dasselbe gefragt: Warum sie hier sei, was sie hier wolle und wie lange sie in Ägypten bleiben wolle? Eigene Fragen durften nicht gestellt werden. Nach einer halben Stunde wurde sie wieder nach draußen geführt wiederum mit den Worten „Wait!“. Nach einer weiteren Stunde wurde das mulmige Gefühl immer stärker. Durch die Nichtinformation kam ein Gefühl der Ohnmacht und Demütigung dazu. Es wurde auch kein Wasser angeboten, zu ihren Herzmedikamenten gab es auch keinen Zugriff. Dazu gab es ein stetiges Kommen und Gehen unterschiedlichster Beamte, die Valery ständig unverhohlen verächtlich musterten und unverfroren vor ihr über sie debattierten. 

Schließlich entschloss sich Valery einen Kontakt zur deutschen Botschaft zu fordern. Dies wurde ignoriert. Hier muss bemerkt werden, dass es unmöglich war, in diesem Bereich zu telefonieren, da europäische Prepaid-Karten nicht gingen, eine Karte außerhalb des Flughafens zu holen war unmöglich. Internet war nicht vorhanden. Schließlich konnte Andreas Schwarz ausfindig machen, wo sich die Tourist Police befand, und konnte es Valery zurufen, da diese sich just drei Türen hinter ihrem Aufenthaltsplatz befand. Woraufhin er rüde angegangen wurde, sich in einen Bereich zu setzen, von wo aus kein Kontakt mehr möglich war. Valery gelang es in das Büro der Tourist Police zu gehen, aber auch dort wurde ihr Anliegen einfach komplett ignoriert. Die Hilflosigkeit wurde immer größer. Andreas schaffte es, indem er seinen Reisepass dem Kontrollbeamten überließ, zu Valery zu gelangen. Um sich in dieser Horrorsituation auszutauschen. In diesem Moment betraten drei neue Beamten das Feld und kamen mit dem Reisepass aus dem Büro und trotz Bitte um Information wurde keine Auskunft gegeben, was hier vor sich geht. Stattdessen wurden weitere Beamten dazu gerufen und es wurde nun der Reisepass von wieder anderen Beamten gemustert. Die Verzweiflung war nun so groß, dass Valery immer wieder versuchte, aufs Höflichste aber zunehmend extrem nervös und verstört, Kontakt zu bekommen, ihre Fragen endlich zu beantworten, eine Verbindung zur Botschaft herzustellen. Aufs Penetranteste wurde sie ignoriert und barsch angewiesen, sich hinzusetzen. Zudem wurde das Handy von Andreas konfisziert und er angeschrien, umgehend den Bereich zu verlassen. Die Stimmung wurde so bedrohlich und auch provozierend, dass es spürbar war, dass nur das kleinste Fehlverhalten zu einer Verhaftung oder Schlimmerem führen konnte. Dann verschwanden die Beamten mit dem Reisepass in einen anderen Bereich des Flughafens. Der Flughafen wurde immer leerer. Als gar kein Passant mehr im Gebäude sichtbar war, kamen wieder neue Beamte, diesmal auch zwei bewaffnete Zivilbeamte und forderten Valery auf, ihnen zu folgen. Andreas Schwarz könne gehen. Beide bestanden darauf zusammenzubleiben. Dann ging es labyrinthartig durch das Flughafengebäude, um schließlich wieder beim Gepäckkontrollcheck in zu landen, der nochmals durchgeführt wurde, und schließlich wurden beide in die nun völlig leere Flughafenhalle geführt zu einem kleinen Häuschen vor dem nun ein weiteres harsches „Wait!“ ausgesprochen wurde. Die Situation war gespenstisch, gefährlich, bedrückend und extrem beängstigend. Es waren nun 6 Stunden vergangen ohne Wasser und Information. Nach etlichen vorsichtigsten Nachfragen bei den unterschiedlichsten Beamten, die immerzu das übliche „Wait!“ hervorbrachten, kamen schließlich vier Beamte, darunter zwei bewaffneten Zivilpolizisten auf Valery zu und eröffneten ihr nun, dass ihr die Einreise verweigert wird. Als Valery nach einer Begründung fragte, wurde ihr geantwortet, dass sie das nicht sagen dürfen. Dann wurde ihr lapidar mitgeteilt, dass man mit Easy Jet gesprochen hätte und sie in drei Tagen umsonst zurück nach Berlin fliegen könne, solange müsse sie aber im Flughafengebäude verbleiben. Also in aller Öffentlichkeit 3 Tage dort nächtigen. Natürlich wollten beide das Land so schnell wie möglich verlassen. Andreas wurde gewährt zu einem Ticketverkäufer außerhalb des Gebäudes zu gehen. Valery durfte ja das den Flughafen nicht verlassen und es gelang zwei Tickets, die nur in bar bezahlt werden konnten, ohne Quittung, nach Istanbul noch dieselbe Nacht um 3:55 Uhr mit einem Anschlussflug nach Berlin zu kaufen. Bis dahin wurde der Reisepass weiter einbehalten. Und beide wurden von einem Beamten bewacht. Auch während der Flugtickets gedruckt wurden, wurde der Pass von dem bewaffneten Beamten vorgehalten, der schließlich die ganze Zeit bis zum Abflug den Pass bei sich behielt und ständig als Aufsicht abgestellt war. Zu erwähnen ist noch eine weitere Schikane, obwohl Chantals Gepäck ja schon zweimal überprüft wurde, musste sie letztendlich noch mal ihre gesamte Tasche auspacken, die bis ins letzte Eckchen durchsucht wurde. Um dann anschließend nochmals von einer Beamtin genauestens untersucht zu werden. Um psychologisch klarzumachen, dass sie eine Persona non grata sei und nie mehr in dieses Land kommen solle.

Fazit: Dieses Erlebnis war schockierend und demütigend und zutiefst verstörend. Das Gefühl eventuell auch in einem Gefängnis zu verschwinden, ohne dass jemand je davon Kenntnis bekäme, war nicht abstrakt, wie uns ein Botschaftsmitarbeiter bestätigte. Wir möchten Sie auf diesem Wege eindrücklich bitten für Trans*-Menschen und die LGBTIQ*-Community eine Reisewarnung auch für die vermeintlich sicheren Orte am Roten Meer auszusprechen, um solche oder schlimmere Szenarien in Zukunft zu vermeiden. Wir würden sie bitten, soweit es möglich ist, diesen Fall zu verfolgen und zu recherchieren, ob dies ein Einzelfall oder inzwischen eher die Regel geworden ist und danach konsequent in ihren Möglichkeiten zu handeln, um in Zukunft Schlimmeres zu verhindern.“

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