Trauer um ägyptische Aktivistin Sarah Hegazy

by

2017 hisste die queere Aktivistin Sarah Hegazy bei bei einem Konzert in Kairo eine Regenbogenfahne als Unterstützung für einen schwulen Sänger. Jetzt ist sie gestorben.

Auslöser für ihren Leidensweg war ein Konzertbesuch der libanesischen Indie-Pop-Band Mashrouʼ Leila am 22. September 2017 in Kairo. Wie auch einige andere im Publikum schwenkte die studierte Software-Entwicklerin und offen lesbische Hegazy während des Konzerts eine Regenbogenfahne. Mit der Aktion wollte sie den schwulen Sänger der Band, Hamed Sinno, unterstützen, einen der wenigen offen schwulen Künstler aus dem Nahen Osten. 

Verhaftung, Haftstrafe, Folter und Flucht

Die Band bezeichnete das Konzert in Kairo zunächst als „eine der besten Shows, die wir je gespielt haben“. Was dann folgte, war weniger schön. Die ägyptischen Behörden führten Polizeirazzien unter den Konzertbesucher*innen durch. Mindestens 57 Personen wurden verhaftet, darunter auch Sarah Hegazy als einzige Frau.

Wegen „Förderung sexueller Abweichungen und Ausschweifungen“ erhielten einige der Konzertbesucher zum Teil hohe Strafen von bis zu sechs Jahren Haft. Sarah Hegazy kam in ein Frauengefängnis, in dem sie gedemütigt, vergewaltigt und gefoltert wurde. Nach drei Monaten Haft wurde sie entlassen und zur Zahlung von 2.000 ägyptischen Pfund verurteilt, das sind etwa 109 Euro. Sie verlor ihren Job als Software-Entwicklerin und wurde von einigen Familienmitgliedern angefeindet, weshalb sie schlussendlich nach Kanada floh, wo sie politisches Asyl erhielt.

Von den Erlebnissen hatte sich Hegazy nicht erholen können. Sie litt an einer posttraumatischen Belastungsstörung, Angstzuständen und Depressionen, die sich, wie sie selbst sagte, nach dem Tod ihrer Mutter weiter verschlimmerten. Am 14. Juni 2020 nahm sich Sarah Hegazy das Leben. Was bleibt, ist ein handschriftlicher, mutmaßlich von Hegazy verfasster Abschiedsbrief auf Arabisch, in dem sie schreibt:

„An meine Geschwister,

Ich habe versucht Erlösung zu finden und ich habe es nicht geschafft; vergebt mir.

An meine Freunde,

Der Weg war grausam und ich bin zu schwach, um Widerstand zu leisten; vergebt mir.

An die Welt,

Du warst schrecklich grausam; aber ich vergebe dir.“

(Sara Hegazy, 14. Juni 2020)


Mashrouʼ Leila

Die Band Mashrouʼ Leila („nächtliches Projekt“) besteht aus fünf Libanesen. Sänger Hamed Sinno lebt offen schwul, Homosexualität ist Thema in mehreren Liedern der Band.

Direkt politisch sind die Lieder selten, aber das ist auch nicht nötig in einem Umfeld, in dem es allein schon reicht, von Liebe und Sex zu singen: „Sex ist hochpolitisch“, sagt Sinno, „wenn Leute im Libanon ins Gefängnis wandern, weil sie homosexuell sind, dann werden sie nicht für ihre queere Identität angeklagt, sondern für den sexuellen Akt“. Oder aber, wie bei Hegazy, weil die ägyptischen Behörden offensichtlich ein Exempel statuieren wollten.

Zum Tod von Sarah Hegazy schrieb Hamed Sinno auf Facebook: 

„Viele weisen schnell auf psychische Erkrankungen und ihre Depression hin. Aber psychische Erkrankungen existieren nicht im Vakuum. Sie sind ein Produkt struktureller Gewalt. Es ist die Macht, die der heteropatriarchale Kapitalismus auf den Körper ausübt.“


Mahnwache in Berlin

Free LGBTQ Egypt veranstaltet am kommenden Samstag eine Mahnwache für Sarah Hegazi. Die Veranstaltung „Sarah Hegazy: a vigil in mourning, a protest in her legacy!“ beginnt um 15 Uhr am Hermannplatz.


Wichtige Adressen, wenn du an Suizid denkst oder jemanden kennst, der das tut:

Back to topbutton